Sport hinter Gittern: Resozialisierung durch Bewegung
Rund 730 Häftlinge jeden Alters, Geschlechts und ethnischer Herkunft sind in der Justizvollzugsanstalt Dresden auf dem Hammerweg (großes Foto unten) untergebracht. Das Zellenleben des Inhaftierten ist von wenig Ausgang, Langeweile und dem Gefühl sozialer Ausgeschlossenheit geprägt. Sport stellt für viele Gefangene in dieser abgeschlossenen Welt hinter Gittern die einzige Möglichkeit zur Bewegung dar. Aufgrund religiöser und sprachlicher Unterschiede spielen zur Kommunikation untereinander gerade Mannschaftssportarten eine wichtige Rolle. Sport als eine Art „Überdruckventil“ wirkt gegen Langeweile und Frust und trägt im Rahmen von Fairness wesentlich zur sozialen Sicherheit bei. Für PULSTREIBER-Redakteur Stefan Mothes Grund genug, sich an einem schönen Montagmorgen selbst einmal „hinter Gitter“ zu wagen und die JVA Dresden aus sportlicher Sicht unter die Lupe zu nehmen...
(Auf dem Foto rechts oben sieht man übrigens nicht den heimischen Staftvollzug, sondern einen Gefängniswagen aus dem "Yuma State Prison" in Arizona/USA)
Die Türen schließen sich...
Als sich die schwere Eisentür automatisch schließt, wird mir schon etwas mulmig. Unbewusst klammere ich mich immer fester an meinen Besucherausweis. Während mich Öffentlichkeitsreferent Detlef Schmidt durch die langen, unterirdischen Gänge der JVA führt, versuche ich mich wieder auf den Grund meines Besuches zu konzentrieren und beginne, erste Fragen zu stellen. Dabei gelangen wir in den Bereich der großen Sporthalle und in eine Art Sportbüro, das von zwei Sportverantwortlichen geführt wird, die mir näher Auskunft erteilen. „In der JVA Dresden bekommen die Häftlinge ein Mal pro Woche eine Stunde Zeit, um in der großen Gemeinschaftshalle oder im Fitnessraum Sport zu treiben. Auf den Unterbringungssektionen befindet sich zusätzlich noch ein kleiner Fitnessraum mit Tischtennisplatten, so dass auch da nach der Arbeit unter Minimalbedingungen trainiert werden kann. Als Sportarten bieten wir Badminton, Tischtennis, Volleyball, Fußball und Kraftsport an, aber die Mehrheit entscheidet sich meist für Fußball“, so Schmidt. „Generell werden die Sportangebote sehr gern genutzt, daher ist die Warteliste auch lang. Damit ist jedoch auch ein kleiner Erziehungsprozess verbunden. Wer trotz Anmeldung seine Möglichkeiten nicht nutzt, wird von der Liste gestrichen und kann erstmal eine Zeit lang nicht trainieren.“
Kraftsport und Gehirntraining
Während sich mir bei dem Gedanken an einen sportlosen Monat die Nackenhaare aufstellen, fällt mein Blick auf das Bücherregal im Sportbüro. Neben allgemeinen Regelwerken für Tischtennis, Volleyball und Fußball finde ich auch „Das große Bodybuilding Buch von Arnold Schwarzenegger“ und „Kasparow Schachlehre“. Schach? „Selbstverständlich", so Schmidt. "Unsere Insassen spielen mit Begeisterung. Unserem Übungsleiter haben wir es zu verdanken, dass unsere Häftlinge sogar richtig gut sind und mit ihrer Mannschaft die Stadtliga anführen. Leider ist dort Schluss, da sie nicht aufsteigen dürfen“, erklärt der Sportverantwortliche. Und wie sieht es mit anderen Sportarten aus? „Meinen Sie Stabhochsprung und Klettern? Dies gibt es bei uns natürlich nicht, aber Disziplinen wie Unihockey oder Dart können wir in Kursen unter Anleitung von Trainern anbieten. Zusätzlich veranstalten wir von Zeit zu Zeit Turniere und Freundschaftsspiele, die sich besonderer Beliebtheit erfreuen, da sie doch eine willkommene Abwechslung zum grauen Gefängnisalltag bieten.“
Keine Randale, keine Berührungsängste
Obwohl der Sport oft mit Emotionen verbunden ist, kochen diese in der JVA nur selten über. Wie Öffentlichkeitsreferent Detlef Schmidt bestätigt, kommt es kaum zu Rangeleien: „Alle Bediensteten achten auf einen ordentlichen Ablauf. Sport ist für uns ein Erziehungsinstrument und baut Aggressionen ab. Bei gewaltsamen Zwischenfällen beenden wir das Spiel umgehend und schränken die Sportmöglichkeiten der Beteiligten ein. Das wirkt immer. Wenn es Streit gibt, dann unter den Häftlingen. Unsere Insassen sind sich der Konsequenzen eines Übergriffs auf einen Wärter oder Bediensteten sehr wohl bewusst und zügeln ihr Temperament uns gegenüber deshalb schnell.“ Nach Aussage der Sportverantwortlichen, hätten Mannschaften von außerhalb daher selten Berührungsängste. So kommt es durchaus vor, dass die A-Jugend eines benachbarten Fußballvereins ein Freundschaftsspiel gegen eine Insassenmannschaft ansetzt. „Sicherlich werden wir dabei kein Team aus Schwerverbrechern zusammenstellen“, so Schmidt, „allerdings entscheidet für die Teilnahme nicht der ursprüngliche Grund der Inhaftierung sondern das Betragen jedes Einzelnen, das wir nach speziellen Sicherheitskriterien prüfen. Im vergangenen Jahr ging eine unserer Mannschaften sogar beim Dresden Marathon an den Start. Alles lief reibungslos.“
Sport als Mittel zur Resozialisierung
Das Beispiel zeigt deutlich: Nicht nur außerhalb der Gefängnismauern erfüllt der Sport eine wichtige gesellschaftliche Funktion. Neben körperlicher Betätigung und dem Spaß am Sport bekommen die Häftlinge der Vollzugsanstalt noch wichtige Werte und Normen vermittelt. Die positiven Erfahrungen aus diesen Maßnahmen sollen deshalb weiterhin dazu beitragen, dass Sport als Mittel zur Resozialisierung im Vollzug verstärkt Anwendung findet. So will die Deutsche Sportjugend auch zukünftig den Dialog zwischen Sport und Justiz aufrecht erhalten. In diesem Zusammenhang veranstaltet die Organisation regelmäßig die bundesweite Fachtagung „Sport im Jugendstrafvollzug“.
Fotos: Privat, Justizvollzugsanstalt Dresden
02. März 2021