„Mist, wo ist denn hier der Sattel?!“
Für mich ist es die Königsklasse des Radsports: Halsbrecherische Sprünge über die wildesten Hindernisse, hundertprozentige Körperbeherrschung und Kontrolle über das Bike – Das ist "Trial" (engl. für Versuch), ein Sport der mich schon seit langer Zeit fasziniert. Grund genug also für PULSTREIBER, sich in der Stadt einmal umzuschauen und zwei junge, erfolgreiche Trial-Fahrer zu begleiten. Am Ende durften wir sogar eine Trainingssession hautnah miterleben und mit den Jungs die Begeisterung für das Trial-Fahren teilen – eine Riesensache.
Kinofilm weckte den Ehrgeiz
Thomas Helbig und Sebastian Hopfe sind Trial-Fahrer aus Leidenschaft. Wer sie beobachtet, stellt schnell fest: Die beiden haben richtig Spaß – und das ist ihnen sprichwörtlich ins Gesicht geschrieben. Ausgebrochen ist das Bike-Fieber bei den zwei Dresdnern nach dem australischen Film „Die BMX Bande“, der in den 80er Jahren über die deutschen Kinoleinwände flimmerte. Solche Stunts mussten doch auch im heimischen Hinterhof funktionieren, dachte sich das Duo. Gesagt, getan. Aus den ersten Stehversuchen wurde schnell eine brennende Leidenschaft für den Sport, der sie bis zum heutigen Tage fesselt. Was anfangs noch spielerisch begann, ist durch Beharrlichkeit und Ehrgeiz mittlerweile zum Leistungssport gewachsen. „Dass wir oft stundenlang trainieren, macht uns kaum etwas aus“, sagt Helbig.
In all den Jahren, die Helbig und Hopfe mittlerweile auf dem Rad stehen, hat sie der Sport schon um die ganze Welt getragen. Von Spanien nach Frankreich über England bis nach Japan. „Wir haben viele verrückte Leute kennen gelernt, die wir so wahrscheinlich nie getroffen hätten“, blickt Helbig auf eine aufregende Zeit zurück. Mittlerweile fahren beide regelmäßig auf internationalen Veranstaltungen, sind seit Jahren Mitglieder der Nationalmannschaft und setzen vor allem in Ostdeutschland immer wieder neue Maßstäbe.
Equipment und körperliche Anforderungen
Ohne die richtigen fahrbaren Untersätze wäre das aber kaum möglich. Denn obwohl man auch mit einem normalen Mountainbike Trial fahren könnte, bevorzugen die Profis spezielle Räder. Die sind deutlich kleiner, haben breitere Reifen, weder Sattel noch Gangschaltung und sind federleicht. „Ein geringes Gewicht ist wichtig, darf jedoch nicht zu Lasten der Stabilität gehen, da den Bikes doch einiges abverlangt wird“, erklärt Helbig. Das wichtigste jedoch seien die Bremsen, die vollhydraulisch funktionieren und richtig zupacken müssen. Auf eine Federung verzichten die Rad-Spezialisten ganz, da diese nur Kraft und Energie kosten würde. „Abgefangen wird alles mit dem eigenen Körper“, verdeutlicht Helbig und fügt hinzu: „Das erfordert eine Menge physischer Fitness. Für das Erlernen von neuen Techniken ist außerdem Selbstdisziplin ein absolutes Muss.“ Neben Balancegefühl, schult der Sport vor allem mentale Fitness und Körperbeherrschung.
Probieren geht über Studieren
Als echter „Pulstreiber“ konnte ich es mir natürlich nicht nehmen lassen, selbst einmal auf ein Trial-Bike zu steigen. An einem verregneten Mittwochvormittag und im Schutze einer Autobahnbrücke wagte ich unter der Anleitung von Thomas Helbig meine ersten Sprünge. Unsere Arbeitsgeräte bestanden aus einem monströsen Scott-Mountainbike und einem speziellen Trial-Rad. Das erste, was mir durch den Kopf schoss, war: „Mist, wo ist denn hier der Sattel?!“ Durch sein geringes Gewicht, den niedrigen Schwerpunkt und die weichen Reifen ließ sich das Trial-Bike sehr gut bewegen, allerdings war das Handling sehr ungewohnt.
Nach einiger Zeit teilte mir Thomas endlich mit, dass er die Bremsgriffe seitenverkehrt montiert habe. Die Vorderbremse sei links und nicht rechts. Jetzt war mir einiges klar. Kein Wunder, dass ich seit gefühlten zehn Minuten derart unkontrolliert durch die Gegend steuerte. Ich war beruhigt. Mein fehlendes fahrerisches Können war also nicht der Grund für das „Herumgeeiere“. Dass Trial-Fahren ordentlich anstrengen kann, blieb mir nicht lang verborgen, denn das Abfedern und Hochziehen des Lenkers beansprucht ordentlich die Muskeln der Unterarme und Finger. Meine Daumen waren aufgrund der ständigen Reibung an den Lenkergriffen schön zerschunden. Auf Beweisbilder verzichte ich in diesem Fall lieber mal.
Stattdessen sollen die Aufnahmen belegen, dass ich in nur kürzester Zeit doch so einiges dazulernen konnte. Probieren geht über studieren – und das gilt auch fürs Trial. Allerdings kommt man mit den richtigen Profitipps wesentlich schneller voran. Doch auch ohne fachkundigen Rat kann sich der ambitionierte Anfänger schnell verbessern. Das motiviert und macht richtig Laune. So hoch wie Thomas werde ich leider wohl nie springen können, aber ein paar Meter mehr beim „Wheelie“ und bessere Kontrolle auf dem Hinterrad sind ein erstes Ziel.
Mein Fazit
Trial-Fahren ist eine richtig coole Sache. Durchhaltevermögen und Geschick sind genauso gefragt wie die richtige Technik. Trotz kleinerer Startschwierigkeiten und der etwas gewöhnungsbedürftigen „Sitzhaltung “ kommt der Spaßfaktor nicht zu kurz. Erste Erfolge stellen sich bei fleißigem Üben schon nach kürzester Zeit ein.
P.S. Wer wissen will, wie der weltbeste Trialfahrer, Danny MacAskill, tickt, der kann sich auf unserer Seite auch das entsprechende Interview ansehen.
Text: Stefan Mothes | Fotos: Stefan Brock
08. September 2020