Die Schulter aus Sicht des Sportlers
Die Schulter ist das komplexeste, beweglichste Gelenk des menschlichen Körpers, aber leider auch das vergleichsweise am wenigsten Stabilste. Da eine knöcherne Führung fehlt, wird es hauptsächlich durch Kapsel, Bänder und Muskeln abgesichert. Schulterverletzungen bzw. -probleme können bei fast allen Sportarten auftreten, am häufigsten jedoch bei "Überkopfsportarten" (Tennis, Handball, Volleyball). Typisch sind Verletzungen der aktiven (Muskeln) wie auch passiven Schulterstabilisatoren (Sehnen und Bänder).
Chronische Beschwerden sind eine weit verbreitete Folge von häufigen Bewegungen auf und über Kopfhöhe (Aufschläge, Werfen, Nackendrücken mit der Hantel, Schmetterlingsschwimmen). Die meisten Probleme entstehen durch Überlastung, falsche Technik, aber auch durch ungenügende, muskuläre Zentrierung. Die erfolgreiche Therapie von Schulterverletzungen setzt immer eine sehr genaue Diagnose voraus. Unfallhergang, Untersuchung, Ultraschall, Röntgenbild, MRT oder CT geben Aufschluss über das Ausmaß der Schulterverletzung. Danach kann eine zielgerichtete, effiziente Behandlung eingeleitet werden.
Erster Schritt zur Vermeidung von Schulterproblemen ist das Trainieren einer gelenknahen, zentrierenden Muskulatur -der Rotatorenmanschette-, um Ungleichgewichte zu vermeiden. Hierbei sollten genau diese kleinen, gelenknahen Muskeln vordergründig trainiert werden. Ebenso bedeutet dies, dass jede Druckübung (z.B. Bankdrücken) durch eine Zugübung (z.B. Rudern) ausgeglichen werden muss. Leider konzentrieren sich Fitness-Sportler meist auf die sichtbaren Muskeln und optische Aspekte (z.B. breite Schultern), trainieren aber die „schlechter sichtbaren“, gelenknahen Muskeln vergleichsweise weniger. Auf diese Weise gefährden sie die muskuläre Gesamtstabilität.
Ein ausgewogenes Training bzw. ein spezielles Trainieren der Rotatorenmanschette, insbesondere der zentrierenden Muskeln können bereits im Vorfeld Verletzungen vorbeugen. Auch die Auswahl der Übungen spielt beim Training der Schulter eine Rolle. Überkopfübungen (Nackendrücken) und Übungen mit hohem Gewicht, die die Schulter stark belasten (Butterfly, Fliegende Bewegung mit Kurzhanteln) sollten bei Verletzungen bzw. Beschwerden möglichst vermieden werden, in jedem Fall aber kontrolliert ausgeführt werden. Wie bei allen Kraftübungen sollte der Schwerpunkt auf einer kontrollierten, langsamen Bewegungsausführung und nicht auf maximalem Gewicht liegen. Bei schwerem Gewicht empfiehlt sich außerdem ein Trainingspartner, der bei Muskelversagen oder Ausscheren der Hantel das Gewicht halten kann.
Ergänzend zu konventionellen Gewichtsübungen gibt es eine Reihe von Übungen mit Medizinbällen, Pezzibällen, Zugbändern und isometrische Übungen, die im Falle eingeschränkter Mobilität, aber auch zur allgemeinen Beseitigung muskulärer Dysbalancen geeignet sind. Aufgrund der Komplexität dieser Übungen sollten man sich diese von einem erfahrenen Physiotherapeuten oder Sportmediziner zeigen lassen.
Die häufigsten Schulterverletzungen
Muskel-Sehnenriss / Riss einzelner Muskeln der Rotatorenmanschette
Durch einen Sturz auf die Schulter kann die Rotatorenmanschette (d.h. eine oder mehrere Sehnen die am Oberarmkopf ansetzen) an- oder abreißen. Zu einem Sehnenriss kommt es besonders dann, wenn ein verschleißbedingter Vorschaden der Rotatorenmanschette bestand. Behandlung: Der Riss der Rotatorenmanschette bedingt häufig einen operativen Eingriff.
Instabilität / Schulterluxation
Zu einer Instabilität kann es nach dem Auskugeln der Schulter (Luxation) durch Sturz auf den Arm kommen. Werden dabei Bänder oder eine Gelenklippe überdehnt oder zerrissen, ist eine chronische Schulterinstabilität häufige Folge. Durch den Verlust ihrer ursprünglichen Stabilität kann die Schulter schon bei einem geringen Unfall erneut auskugeln. Behandlung: Gezielter Muskelaufbau, Koordinationstraining ggf. dauerhafte sportliche Einschränkung. Ausführliche Beratung, ob in dem speziellen Fall eine Operation vonnöten ist. Eine abgerissene Gelenklippe lässt sich sehr häufig operativ wieder befestigen.
Impingement-Syndrom / Einengung im Schulterdach
Hier zeigt sich häufig eine Entzündung der Sehnenansätze der Rotatorenmanschette und eines unter dem Schulterdach liegenden Schleimbeutels. Eine Ursache kann ein Ungleichgewicht in der Schultermuskulatur bzw. häufige, überdehnende Ausholbewegungen sein. Im fortgeschrittenen Stadium können sich Kalkablagerungen am Ansatz der Supraspinatussehne bilden, die Schmerz, Bewegungseinschränkungen und Kraftverlust bedeuten. Behandlung: Entzündungshemmenden Therapie, physiotherapeutische Behandlungen, muskuläre Dysbalancen in der Schulter müssen mit spezieller Trainingstherapie beseitigt werden. Auch hier sollte ausführlich mit einem Schulterspezialisten, ggf. eine gezielte, angemessene Operationsberatung stattfinden. Als Prophylaxe sind spezielle Aufwärmübungen vor dem Training hilfreich. Im Leistungstraining empfiehlt sich unter Umständen ein genaueres Technikstudium, ggf. auch eine Umstellung der eigenen Technik.
Tendinitis / Entzündung der Bizepssehne innerhalb der Schulter
Chronische Reizung der langen Bizepssehne durch Instabilität des Schultergelenks aufgrund Überlastung beim Tragen, Heben oder Ziehen von Gewichten. Diese Reizung entsteht meist beim Kraftsport (Gewichtheben, Bodybuilding). Behandlung: Belastungspause, entzündungshemmenden Therapie, physiotherapeutische Behandlungen, ggf. Kräftigung des Antagonisten (Trizeps).
Schulterprellung / Schultereckgelenk Verletzung
Das Schultereckgelenk ist die Verbindung zwischen Schlüsselbein und Schulterdach. Zu einer Verletzung des Schultereckgelenkes kommt es nach einem Sturz auf die Schulter. Die Schwere der Verletzung reicht von einer Prellung, bis hin zu einer starken Überdehnung oder einem Riss wichtiger Stabilisierungsbänder. Behandlung: Bei leichteren und mittelstarken Verletzungen sollte die Schulter ruhiggestellt werden, bei stärkeren Verletzungen ist wieder eine operative Beratung zu empfehlen. Schwellungen können hier sehr gut mit Lymphdrainage behandelt werden.
Knochenbruch
Ein Knochenbruch an der Schulter ist meist Folge eines schweren Sturzes. Behandlung: Ruhigstellung (Bandage oder Gips), ggf. operative Behandlung meist mittels interner Schienung (sog. „Marknägel“).
Fotos: Unsplash | Text: Bert Krüger, Geschäftsführer der Physiotherapie im XXL und Fachlehrer Sportphysiotherapie
01. Juni 2023