Reisebericht: Pakistan
Im Sommer 2018 bot sich mir ein Abenteuer der besonderen Art: Nachdem ich als Reiseleiter unsere Gäste zweimal auf den Damavand im Iran und einmal auf den Gipfel des Kilimanjaro in Tansania geführt hatte, sollte ich nun die 26-tägige Tour nach Pakistan zum Gondogoro-La Pass im Herzen des Karakorum begleiten. Ziel unserer Reise war der weltberühmte Concordiaplatz, am Zusammenfluss von gleich fünf Gletschern gelegen und spektakulärer Aussichtspunkt auf den K2, Broad Peak und auf die Gasherbrum-Gruppe. Ein weiteres Highlight erwartete uns im Anschluss: die Fahrt zur „Märchenwiese“, einer wunderschönen Alm mit Blick auf den Nanga Parbat, dem Schicksalsberg der Deutschen.
Erste Station: Islamabad
Von Deutschland aus begaben wir uns zunächst auf die Reise nach Islamabad. Von München, Frankfurt, Wien und Zürich aus flogen unsere Reiseteilnehmer nach Pakistan, wo wir uns nach einem neunstündigen Flug in der Ankunftshalle des modernen Hauptstadtflughafens trafen und von unserem Guide, der uns die kommenden mehr als drei Wochen mit Rat und Tat zur Seite stehen sollte, in Empfang genommen wurden.
Nach ein paar erfrischenden Stunden Schlaf und einer kalten Dusche vereinbarten wir für den späten Vormittag, uns in der Hotellobby zu treffen und uns auf Stadtbesichtigung in Islamabad zu begeben. An diesem Tag fanden in Pakistan die landesweiten Parlamentswahlen statt. Vorsicht war geboten, hatten Extremisten doch in den Stammesgebieten nahe der afghanischen Grenze im Vorfeld Anschläge verübt. Nichtsdestotrotz „wagten“ wir uns dennoch aus dem Hotel. Sämtliche touristischen Sehenswürdigkeiten, wie die berühmte Faisal-Moschee, die in den 80er Jahren Pakistan vom saudischen König geschenkt wurde, und der lebendige Markt in der Nachbarstadt Rawalpindi, waren problemlos zugänglich und boten uns neben dem Kontakt zu den Einheimischen erste Eindrücke von Land und Leuten.
Nach Kennenlernen der pakistanischen Hauptstadt starteten wir unsere Anreise zu den Bergen des Karakorums, das sich im Norden des Landes mit seinen vielen Acht-, zahlreichen Sieben- und unzähligen Sechstausendern erstreckt. Zu diesem Zweck ging es wieder zurück zum Flughafen, um unseren Inlandsflug nach Skardu, der Hauptstadt der nördlichen Region Gilgit-Baltistan, anzutreten. Angekommen in der vom Berg-Tourismus und Landwirtschaft lebenden Stadt Skardu tauschten wir unsere mitgebrachten Dollar und Euro in Landeswährung und bereiteten uns auf die abenteuerliche Fahrt per Jeep zum Ausgangsort unseres Trekkings in Askole vor. Dies erreichten wir am nächsten Tag nach sieben Stunden Fahrt über unwegsames Gelände, wobei immer mal wieder das Auto verlassen werden musste, damit der Fahrer eine Furt queren konnte oder wir dabei halfen, Gesteinsbrocken von der Fahrbahn zu räumen, wenn uns diese den Weg versperrten.
Angekommen in Askole
Hier stellte sich das Problem, das sich während der weiteren Tour als immer wieder unsere Planung gefährdendes Detail zeigen sollte: Für uns als kleine Gruppe von 10 Personen, die „nur“ zum trekken kam, stellte sich alsbald ein ständiger Mangel an Trägerpersonal ein, das wir aber mit Improvisationsgeschick lösen konnten und unser Reiseprogramm wie geplant umsetzen konnten. Am darauffolgenden Tag ging es dann aber los und so gingen wir in den nächsten sechs Tagen die Strecke von über 60 Kilometern über den Schutt und das Geröll des Baltoro-Gletschers, des weltgrößten Gletschers außerhalb der Polregionen, Richtung Concordiaplatz via der Lager Khorbutse, Urdukas. Als wir endlich den Concordiaplatz erreichten, bot sich uns eine Kulisse der Superlative: neben dem Gasherbrum IV (7.932m), der uns den gesamten Weg bereits entgegenblickte, wurde die Sicht an diesem gigantischen Zusammenfluss von fünf Gletschern in die angrenzenden Täler möglich. Dort ragte von unserer Laufrichtung aus links der K2 (8.611m) entgegen, etwas versetzt daneben der zwölfthöchste Gipfel der Erde, der Broad Peak (8.051m), und rechter Hand die Chogolisa (7.668m) – der Ort des tragischen Verschwindens des Erstbesteigers des Nanga Parbat und Broad Peak, Hermann Buhl im Jahre 1957.
Die kommenden zwei Tage verweilten wir nun an diesem wunderschönen Flecken Erde und genossen den unvergleichlichen Ausblick in diesem „Festsaal“ auf die beeindruckende Bergkulisse, machten einen Abstecher zum K2 Base Camp, zum Bergsteiger-Memorial oder tankten vor unseren Zelten sitzend einfach Sonne. Ein wolkenfreier Himmel bei angenehmen Temperaturen und viel Sonne – besser hätte das Wetter für unser Vorhaben nicht sein können!
Anstrengender, aber lohnender Aufstieg
Via des Camp Ali auf annähernd 5.000 Höhenmetern gelegen, brachen wir am Tag der Passquerung sehr früh auf, um im Schein unserer Stirnlampen abermals den Gletscher zu queren und den steilen Passanstieg anzugehen. Hierfür benötigten wir etwa zwei Stunden, bis wir den Beginn des Fixseils erreichten. Jetzt ging der anstrengende Aufstieg los. Es war eine klare Nacht, gesprochen wurde kaum und so stieg jeder in seinem Tempo den Pass hinauf. Als wir im Morgengrauen endlich auf dem Gondogoro-La Pass (5.614m) standen, dachten wir, dass der schwierigste Teil hinter uns liegt. Der wirklich anspruchsvolle Teil aber sollte mit dem Abstieg noch kommen. War die Seite des Aufstiegs noch tief eingeschneit und gut begehbar, bot sich uns auf der anderen Seite der Anblick nackten Felsens. Zwar gab es ein Fixseil, aber nur wenige hatten Karabiner, Gurt und ein Seil zur Selbstsicherung dabei. Ungläubig bestaunten wir die Kletterkünste unseres Koch- und Trägerteams, die in ausgetretenen Turnschuhen den extrem steilen Abstieg mit Lasten um die 20 kg auf dem Rücken angingen. Um nicht von herabstürzenden Fels- und Gesteinsbrocken verletzt zu werden, legte sich jeder von uns einen Helm an und wir stiegen mit ausreichend Abstand zueinander ab. Unten angekommen, waren wir sehr erleichtert. Ein kurzer Marsch ins nächste Camp und für den Rest des Tages stand Erholung an. Wir hatten die Passüberschreitung geschafft und gingen dem letzten Ziel unseres Trekkings, dem Dorf Hushe, entgegen, wo wir nochmal eine Nacht verbrachten, bevor es zurück zum Ausganspunkt nach Skardu ging.
Zurück in Skardu
Vor Ort wartete bereits unser Gepäck auf uns und hier hatten wir Gelegenheit, nach über zweiwöchiger Telefon- und Internetabstinenz ein Lebenszeichen nach Hause zu senden. Am darauffolgenden Tag stand uns eine lange und kräftezehrende Jeepfahrt über den Karakorum-Highway bis zur Rakhiot-Bridge bevor, wo genächtigt wurde und von wo aus es in zweistündiger Fahrt zur Märchenwiese ging. Dort oben angekommen, erfreuten wir uns besten Wetters, bezogen einfache Blockhütten statt der gewohnten Zelte und bestaunten den sich vor uns erhebenden Giganten Nanga Parbat. In den 1930er Jahren erlangte dieser Berg, auf Urdu „der nackte Berg“, traurige Berühmtheit, als mehrere deutsche Expeditionen spektakulär scheiterten und über 30 der besten damaligen deutschen Bergsteiger starben. Deshalb wird er bis heute auch der „Schicksalsberg der Deutschen“ genannt. Nach diesen Tagen der Erholung bzw. des leichten Trekkings zum Abschluss unserer Reise fuhren wir dann via der Orte Mansehra und Abottabad zurück in die Hauptstadt Islamabad, wo wir uns am Abend bei einem gemütlichen Essen im Steakhouse von unserem Team verabschiedeten und gegen Mitternacht zum Flughafen zu unseren Heimflügen gebracht wurden.
Knappe vier Wochen Abenteuer lagen nun hinter uns. Sowohl die Speicherkarten unserer Kameras als auch unser persönlicher Speicher an Erlebnissen und Eindrücken war randvoll. Wir haben Pakistan, ein Land das sonst eher negativ in den Schlagzeilen steht, besser kennen und verstehen gelernt und die einzigartige wilde Landschaft und Natur erlebt. Eine tolle Tour, deren Eindrücke sicher noch sehr lange in jedem von uns nachwirken werden.
Reisebericht & Fotos: Paul Roloff
16. Januar 2019