Physiotherapie für das »Davor« und kein »Danach«
Physiotherapeutische Übungen sind für die meisten Sportler erst dann relevant, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist, sich also eine Verletzung ereignet hat. Auch im besten Heilungs- und Rehabilitationsfall verliert der Sportler wertvolle Zeit, was gerade im fortgeschrittenen Sportleralter das Karriereende bedeuten kann. Cleverer ist es, bereits im gesunden Zustand einen Bruchteil der Zeit in vorbeugende Maßnahmen zu investieren. Viele Bänder in unserem Körper wie z.B. die Kreuzbänder im Knie haben eben nicht nur eine Haltefunktion, sondern dienen insbesondere als Rezeptoren (quasi als Messegeräte), welche Informationen an unser Rückenmark weiterleiten, wo dann eine Impulsgabe an die Nerven stattfindet, wodurch wiederum die Muskulatur angesteuert wird. Nur so können wir uns im Sport und / oder Wettkampf auf unsere sportlichen Aktivitäten, insbesondere auf Gegner konzentrieren und gezielte, komplexe Bewegungen ausführen.
Dieser biologische Mechanismus wird als Propriozeptionbezeichnet und kann speziell trainiert werden. Durch das Propriozeptionstraining können Muskeln und Bänder viel schneller und effektiver Informationen aufnehmen und verarbeiten. Dabei werden genau die »reaktionsfreudigen« Muskelfasern so optimal trainiert, dass diese im Bedarfsfalle (z.B. beim Umknicken) jederzeit extrem schnell und ohne »Nachdenken« ihre Arbeit verrichten können. Entsprechende Propriozeptionsübungen helfen nicht nur Verletzungen zu vermeiden, sondern wirken sich auch leistungssteigernd auf unseren gesamten Körper aus, sodass man mit einer klugen Trainingsplanung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann.
Verletzungen sind nicht planbar, aber...
Balance und Reaktionsschnelligkeit sind in jeder Sportart gefragt. Besonders jedoch im Kampfsport. Bedingt durch den konträr handelnden Gegner und die blitzschnell wechselnden Kampfhandlungen muss der Sportler permanent seine Position anpassen, um Schlägen auszuweichen, aber auch selbst kontrolliert zu treffen. Davon kann auch Lars Grundkowska ein Lied singen. In einer der härtesten Kampfsportarten der Welt, dem Thaiboxen, wurde der Dresdner bereits zweimal Weltmeister im Schwergewicht. Dazu gehört Härte, Durchhaltevermögen und Talent, aber auch die nötige Intelligenz, im Training nicht nur zu »bolzen«, sondern auch in anderen Bereichen seine Hausaufgaben zu machen. Dazu zählten für Grundkowska immer auch Trainingseinheiten, bei denen er an oft vernachlässigten Strukturen arbeitete und damit auch seiner Athletik den Feinschliff gab.
»Verletzungen kann ich nicht planen, ein vorbeugendes Training jedoch schon«, so Grundkowska. »Die Zeit, in der man als Sportler Höchstleistungen erbringen kann, ist kurz. Verkürzt sich diese Zeit noch durch vermeidbare Verletzungspausen, bleibt vielleicht am Ende zu wenig übrig, um das eigene Potenzial voll auszuschöpfen.« Ein planloses Training bringt hier jedoch genauso wenig Resultate wie sich ein paar Kampftechniken aus einem Film abzuschauen und zu denken, damit einen Kampf zu gewinnen. Lars Grundkowska, der mittlerweile ein florierendes Unternehmen zur Veredlung von Sportwagen betreibt, wählte daher den Weg, lieber gleich einen Fachmann aufzusuchen, anstatt Zeit und Energie mit Experimenten zu vergeuden. Gemeinsam mit Bert Krüger, Physiotherapeut im Therapie- und Sportzentrum Dresden, erarbeitete er ein Programm, welches er sowohl in der Praxis als auch zu Hause oder beim Training selbstständig umsetzen konnte. Dazu gehören das korrekte Erlernen der notwendigen Übungen sowie ein Basiswissen über das Wie- und Warum der jeweiligen Bewegung. Lars Grundkowska hat es in jedem Fall geholfen. Nicht nur bei der Vermeidung von Verletzungen und Verschleißerscheinungen, sondern auch bei seinen Fähigkeiten als Kämpfer. Ein Lowkick oder ein Aufwärtshaken können eben nur dann beeindrucken, wenn sie auch von einer stabilen Basis »abgeschossen« werden. Alles andere ist Rummelboxen.
Privilegierte Leistungssportler?
Der ein oder andere Leser wird jetzt anmerken, dass ein Leistungssportler ja ganz andere Möglichkeiten hat als ein Breitensportler. Wirklich? Beide können sich einen Spezialisten aussuchen, beide haben Beine, um in die Praxis zu marschieren und beide sollten auch lernwillig genug sein, um das vermittelte Wissen für sich zu nutzen. Es geht schließlich nicht darum, einmal wöchentlich »zur Therapie zu gehen«, sondern darum, unter Anleitung ein Rüstzeug für ein Training zu erhalten, was eben nicht nur auf Kraft und Kondition abzielt. Leider sind viele Sportler noch nicht so weit, in diese Richtung zu denken und einen Versuch zu wagen.
Dies wurmt auch Bert Krüger, der viel zu oft vermeidbare Verletzungen behandelt: »Lernen durch Schmerz ist nicht das Optimale. Jeder Sportler, der sich schon einmal ernsthaft verletzt hat, lernt definitiv dazu, aber die verloren Zeit und mögliche Leistungseinbußen kommen trotzdem Einbeinig auf einem instabilen Untergrund zu stehen ist das Eine, dabei noch komplexe Aufgaben - wie das Fangen eines Balls - zu bewältigen, ist das Andere. nicht wieder. Leider verschließen zu viele Athleten, trotz ehrgeiziger Ziele, die Augen vor dieser Tatsache und setzen den Fokus zu einseitig auf messbare Leistungsfaktoren«, so Krüger. Hiermit also ein Aufruf an alle Sportlerinnen und Sportler: Betreibt Werterhaltung und Pflege wie bei eurem Auto, eben auch bei eurem Körper. Bei Fragen wendet ihr euch bitte nicht NUR an euren Arzt oder Apotheker, sondern AUCH an den Physiotherapeuten eures Vertrauens.
Foto: Mirko Nemitz
07. Dezember 2020