Interview: Rüdiger Möhring
Nicht nur als Ringer, sondern als Sportler allgemein ist Rüdiger Möhring ein Vorbild und gleichzeitig eine Ausnahmeerscheinung. Auch mit 52 Jahren ist der Dresdner Kripobeamte noch in einer sagenhaften Verfassung und auf der Ringermatte ein gefürchteter Gegner. Rüdiger Möhring kämpft in der Oberliga Sachsen in der 2. Mannschaft des RV Thalheim (Erzgebirge) und trainiert in Dresden beim SV Dresden Mitte. Das geliebte Ringen betreibt der gebürtige Wolmirstedter bereits seit 1968, als er bei der BSG Traktor Gutenswegen das Ringen erstmals kennenlernte. Mit der Aufnahme in die Kinder- und Jugendsportschule Luckenwalde kamen sehr schnell die ersten Erfolge. 1971 wurde der Freistil-Ringer DDR-Meister der A-Jugend und 1973 und 1975 Zweiter der Spartakiade in Berlin. Zwischen 1976 und 1984 gewann er fast jedes Jahr eine Medaille bei den DDR-Meisterschaften. 1978 gewann er Gold bei den Jugendwettkämpfen der Freundschaft in Ulan Bator (Mongolei) und auch 1981 hatte er mit Silber beim renommierten Werner-Seelenbinder-Turnier einen starken Auftritt. Seinen größten Erfolg feierte er im Jahr 2000 als Vizeweltmeistertitel der Veteranen. Nicht unerwähnt bleiben sollte, dass der Sportfanatiker 1984 auch sehr erfolgreich im Zweier- und Vierer-Bob für die BSG Dynamo Zinnwald startete. Im Winter 1985/86 war sogar schon die Zeit für die Teilnahme an Weltcup-Rennen gekommen, wo der Dresdner mit den dritten Plätzen in Sarajevo und im Schweizerischen St. Moritz seine Zugehörigkeit zu Weltspitze zeigte. Sowohl in Thalheim als auch Dresden ist „Möhre“, wie er liebevoll von Ringerkollegen genannt wird, ein Urgestein, ein Sympathieträger und mittlerweile fast schon eine Legende.
Rüdiger, Du bist mit 52 einer der ältesten aktiven Ringer in Deutschland. Bei Ringkämpfen feuern Dich Deine Enkel mit „Opa Möhre“ an, während Du halb so alte Gegner auf die Matte legst. Hast Du einen Jungbrunnen zu Hause?
Mein Jungbrunnen ist meine Familie. Marina, meine Frau, steht mir bereits seit über 35 Jahren zur Seite. Wir sind 33 Jahren verheiratet. Auch wenn sie mal die Augen verdreht, unterstützt sie mich seit dem wir uns kennen. Meine beiden Töchter, Jessica (33) und Cathleen (30), kamen in ihren jungen Jahren, auf Grund von vielen Trainingslagern und Wettkampfreisen etwas zu kurz. Aber auch sie akzeptieren meinen Sport und ich glaube, sie sind auch ein wenig stolz auf ihren Vati. Seit fast 8 Jahren bin ich Opa. Heute habe ich vier Enkel die mich gerne zum Wettkampf begleiten und lautstark mit „Ooopa Möhre, Ooopa Möhre…“ anfeuern. Meine beiden Schwiegersöhne, Alex und Hanno, gehören ebenfalls seit vielen Jahren zur Familie. Sie machen meine Töchter und Enkel glücklich und somit sind ich und meine Frau auch glücklich. Diese Familie gibt mir Kraft und hält mich jung. Jung und fit hält mich aber auch der Ringkampfsport, den ich seit 42 Jahren den Ringkampfsport betreibe und die Tatsache, dass ich auch sonst regelmäßig sportlich aktiv bin.
Wie häufig trainierst Du?
Das ist unterschiedlich. Ich muss und will Familie, Arbeit und den Sport immer unter einen Hut bringen. Wenn alles optimal klappt, dann trainiere ich zweimal auf der Matte, zweimal Fitness und einmal pro Woche spiele ich im Dienstsport Fußball.
Wie sieht Dein Ringertraining in Dresden aus?
Nach dem Mattenaufbau wird sich erwärmt. Danach beginnen die Kinder und Jugendlichen mit Techniktraining, wo ich versuche meine Erfahrungen einzubringen. Die Älteren beginnen meistens gleich mit lockeren Kämpfen, wobei dort auch zum Anfang das Durchführen von Techniken im Vordergrund steht. Danach wird dann richtig um die Wertungen gekämpft. Zum Schluss wird dann noch „Prellball“ gespielt. Das ist ein freudbetontes, aber auch intensives Ballspiel auf der Matte.
Gibt es auch Tage, an denen Du aufwachst und Dir von Training oder Wettkampf alles weh tut?
Darauf gibt es ein klares ja. Aber es tut gut wenn der „Schmerz“ nachlässt.
Auch mit 52 Jahren bist Du körperlich und ringerisch noch sehr dominant. Fühlst Du Dich in Dresden ausreichend gefordert oder würdest Du Dich gerne mit stärkeren Ringern messen?
Ich bin froh, hier in Dresden Sportfreunde zu haben, die mich ausreichend fordern. Im Gegenteil - ich muss mir manchmal im Training auch mal eine „Auszeit“ gönnen, um zu verschnaufen.
Ging Dir nach einem harten Kampf schon mal der Gedanke durch den Kopf „Warum tue ich mir das noch an“?
Wenn ich solch einen Gedanken gehabt hätte, dann hätte ich wohl schon aufgehört. Seit einiger Zeit habe ich einen Termin für das „Aufhören“ im Kopf. Zur gegebenen Zeit werde ich ihn auch bekannt geben. Das „Aufhören“ bezieht sich dann aber nur auf den Wettkampfbetrieb in den Ligen des DRB. Trainieren werde ich wohl solange die alten Knochen es mit machen. Dem einen oder anderen Wettkampf bei den Veteranen steht dabei auch nichts im Wege.
Du hattest vor einigen Jahren einmal gesagt, dass mit 50 Schluss ist. Da stimmt ja nun nicht mehr - wie sieht die neue Prognose aus?
Ich kann mich nicht erinnern das jemals gesagt zu haben. Meine Familie wollte mir so etwas auch schon einreden. Wie schon gesagt, gibt es in meinem Kopf ein Termin zum Aufhören, aber den gebe ich bekannt wenn es soweit ist.
In Thalheim bist Du mittlerweile der Dauerbrenner und Publikumsliebling schlechthin. Ist dies Dein Hauptantrieb, immer noch regelmäßig zu trainieren und in der Saison jedes Wochenende in der Mannschaft zu ringen?
Ich gebe zu, dass ich stolz bin, wenn mich Samstag Abend das Publikum mit Beifall begrüßt, aber dass ist nicht der alleinige Grund für meine Motivation. Mir macht das Sporttreiben, egal welche Sportart, einfach Spaß. Ein weiteres Motiv ist für mich natürlich die körperliche Fitness. Ich habe eine super Familie und darunter vier Enkel. Ich bin froh, ein fitter Großvater zu sein, der mit seinen Enkeln noch alles machen kann.
Leider finden sich immer noch zu wenige Kinder und Jugendliche, die sich dauerhaft für eine Sportart begeistern lassen und dabei bleiben. Woran liegt das Deiner Meinung nach?
Ja, leider ist das so, dass wir bisher nur wenige Kinder und Jugendliche für unseren Sport begeistern konnten, obwohl unser Verein regelmäßig Werbeveranstaltungen durchführt. Es gibt dafür sicher viele Gründe. Das Ringen ist keine Fansportart wie etwa Fußball. Ich muss leider immer mehr feststellen, dass viele Kinder und Jugendliche kein richtiges Interesse mehr an körperlicher Bewegung haben. Das wird mir von Bekannten, darunter auch Sportlehrern, immer wieder bestätigt. Ich denke, dass den Kindern und Jugendlichen und vor allem den Eltern der Ringkampfsport erläutert werden sollte. Viele Eltern denken, dass man sich beim Ringen alle Knochen bricht. Meine Mutter selbst hat, als sie bei mir das erste mal zugeschaut hat, gesagt: „Die rieten sig ja den Kopf aff“. Das ist Plattdeutsch und heißt „Die reißen sich ja den Kopf ab“. Danach ist sie aus der Sporthalle gelaufen. Das war 1969 in Magdeburg.
Das zweite Mal schaute sie dann 25 Jahre später zu. Das war bei einem Mannschaftskampf in Thalheim. Sie schaute sich nicht nur meinen Kampf an. Sie blieb bis zum Schluss in der Halle und fand die ganze Veranstaltung aufregend. Sie wusste ja auch, dass ich mich in den vielen Jahren nie ernsthaft verletzt hatte. Sie ist heute 82 Jahre und freut sich mit mir zusammen, dass ich den Sport immer noch betreiben kann. Mit dieser kurzen Episode wollte ich nur zum Ausdruck bringen, dass der Ringkampfsport nicht gefährlich ist. Alle Sportler werden bei uns so ausgebildet, dass Verletzungen weitestgehend vermieden werden. Ringkampf ist eine Sportart, die vom Sportler „Köpfchen“, Ausdauer, Kraft und Kampfgeist verlangen. Das ist doch für die Entwicklung der Persönlichkeit wichtig! Ich würde, wenn ich die Wahl hätte, immer wieder Ringer werden wollen.
Fotos: RV Thalheim, Dr. Holger Hähnel, Stefan Mothes, Privatarchiv Rüdiger Möhring
28. Januar 2013