Interview: Falko Quinger
Manche mögen‘s heiß, machen mögen‘s schnell und abgefahren. So auch Falko Quinger, der so ziemlich alles Sportliche liebt, bei dem er Kufen oder Rollen unter den Füßen hat. So ausgerüstet, ist er einer der »Verrückten«, die mit bis zu 90 km/h die Bobbahn Altenberg herunter düsen. Wie viel Mut, Risikobereitschaft, aber auch Technik und Fleiß dahinterstecken, erzählt uns der studierte Industriedesigner im nachfolgendem Interview.
Wie wir in der Einleitung erfahren haben, begeistert dich so ziemlich jeder Sport, bei dem man Kufen oder Rollen an den Füßen hat. Was hast du schon alles ausprobiert?
Aggressiv Skate, Freestyle Slalom, Freeskate, Inlinedownhill, Speedskate, Skatecross, Redbull Crashed Ice, Eisschnelllauf, Langlauf (Skating), Testfahrt im »Buggy-Rollin«-Anzug von Jean-Yves Blondeau. Wie unterscheiden sich diese Sportarten bzw. Disziplinen? Im Freestyleslalom geht das darum, möglichst anmutig mit einer Kombination von Tricks und Drehungen oder auf einer Rolle um die Kegel herum zu fahren und keinen umzuschmeißen. Das Speedskaten unterscheidet sich in Kurz- und Langdistanzwettkämpfen, die es allein, im Team oder einem ganzen Feld auf einer Bahn oder durch die Stadt auf einer Marathondistanz mit 40km/h zu bewältigen gilt. Hier ist auch Taktik und Teamgeist gefragt. Die »World Skatecross Series« und das »Redbull Crashed Ice« sind relativ simultan, hier tritt man zu viert auf einer gefrorenen oder asphaltierten Strecke mit mannshohen Hindernissen im KO-System gegeneinander an. Ein reiner Individualsport ist das Inlinedownhill in der Bobbahn. Hier ist man von Start bist Ziel auf sich allein gestellt, um die richtige Linie und die Druckpunkte der Steilkurven zu finden.
Welches Muskelprofil zeichnet dich eigentlich aus? Oberschenkel wie Claudia Pechstein oder eher die Statur eines Skilangläufers?
Ich tendiere zur Skiläuferfigur, obwohl bergab mehr Schwungmasse von Vorteil wäre.
Ist es normal, dass Skater – egal oben Kufen oder Rollen – in verschiedenen Disziplinen aktiv sind oder bist du dabei eher die Ausnahme?
Mein Talent begünstigt das sehr, aber in der Regel konzentrieren sich viele auf eine Disziplin in der jeweiligen Sportart und weichen nur in der Nebensaison zum Erhalt des Trainingsstandes zum Beispiel auf die Rollen aus. Es gibt viele gute Beispiele, dass sich diese beiden Sportarten sehr nahe sind wie am Beispiel von Bart Swings der als mehrfacher Weltmeister im Speerskaten jetzt auch im Eisschnelllauf erfolgreich ist, auch eine Claudia Pechstein trifft man auf einigen Speedskate- Wettkämpfen in Deutschland ganz vorn an. Ich hingegen fühle mich in Inlineskates wohler, das liegt sicher an den Trainingsmöglichkeiten, denn auch wenn ich die Qualifikationen für das Redbull Crashed Ice in München und Helsinki gewinnen konnte, hat es in den Finalen Events leider noch nicht unter die Top 64 gereicht.
Wie wirst du von Sportlern wahrgenommen, die leistungssportlich nur in einer Disziplin wie Eisschnelllauf oder Short Track starten?
Ich glaube man muss klar zwischen dem Beruf als aktiver Sportler der auf die Olympischen Spiele hin trainiert und einer Rand- bzw. Extremsportart unterscheiden. Es sind auch verschiedene Ansätze die da verfolgt werden, jeder ist spezialisiert in seiner Disziplin aber meine Sportarten sind eher noch unbekannt, somit gibt es da auch keinen Druck der öffentlichen Aufmerksamkeit bzw zu großes Interesse wie beim Fußball.
Kannst du verstehen, dass Vertreter herkömmlicher Amateursportarten neidisch auf die mediale Anerkennung von Fun- bzw. Extremsportlern sind, die objektiv weitaus weniger Trainingsaufwand betreiben und sich in einer geringeren Leistungsdichte messen müssen?
Absolut, aber es ist ein subjektives Empfinden. Ein Tony Hawk oder Shawn White steht seit Kindheitsbeinen auf dem Skate- bzw. Snowboard und das ist auch ihre Passion und jeder trainiert und gibt alles. Die mediale Aufmerksamkeit ist immer groß, wenn jemand das erste Mal etwas macht, sei es den Fuß als erster Mensch auf den Mond zu setzen oder einen Sprung aus der Stratosphäre. Der Erste sticht aus der Masse heraus, aber niemand kennt z.B. Michael Collins, der dritte Mann von Apollo 11 ohne dessen Arbeit es nicht möglich gewesen wäre, auf dem Mond zu landen. Wichtig ist, das man das, was man macht, mit Herz und Seele betreibt und stolz ist auf die Leistung, die man erbracht hat und sich auch nicht von seinem Weg abbringen oder demotivieren lässt.
Beim »Beton on Fire« bist du einer der Verrückten, die mit Inlineskates die Bobbahn hinunter stürzen. Wie ist deine Beziehung zu diesem Event?
Aus dem verrückt wird ganz schnell ein ernsthafter Wettkampf sobald die Schutzausrüstung angelegt wird, die Schuhe geschnürt sind und das Startsignal erklingt. Für mich fiel es zur Gründung des Events 2009, als der Initiator Philipp Auerswald beim Nachtskaten in Dresden Flyer verteilte und ich ihn lächelnd fragte, ob ich daran auch teilnehmen könnte. Mit einer geliehenen halben Eishockeyausrüstung und einem Lederlappen am Arsch ging es dann los bis eine gebrauchte Lederkombi mit Lycraüberzug folgten. Seit fünf Jahren stehe ich jetzt als Grafiker und helfende Hand Philipp für das Event zur Seite, welches wir nicht nur mehr in Altenberg, sondern in La Plagne (Frankreich), Sigulda (Lettland) und vielleicht auch bald in Sotschi (Russland) austragen. Unter den besten Inlineskatern der Welt musste ich mich in den vergangenen Jahren immer mal wieder auf Platz 4. und 5. einfinden, aber dieses Jahr konnte ich mich von Lauf zu Lauf weiter steigern und landete auf dem zweiten Platz.
Was reizt dich an der Herausforderung dieses Events?
Es ist wie im Bob- und Rodelsport. Es muss die richtige Linie gefunden werden, oft geht es da in der Platzierung um Bruchteile von Sekunden, wenn die Fahrer auf speziell dafür abgestimmten Longboards und Inlineskates mit bis zu 90 km/h in der Bahn unterwegs sind. Eine große Herausforderung sind auch die besonderen Eigenschaften jeder Bahn, was manchmal zu spektakulär anmutenden Manövern der Fahrer führt.
Wie gefährlich ist die Abfahrt eigentlich?Nach Samuel Kochs Unfall bei »Wetten, dass…?« hinterfragt man ja doch, ob es notwendig ist, immer wieder Grenzen auszuloten.
Die Sicherheit steht für alle Fahrer an erster Stelle, hierfür haben wir natürlich auch ein Reglement, was alles Notwendige an Schutzausrüstung vorschreibt. »Beton on Fire« ist in erster Linie ein sportlicher Wettkampf und wie auch bei den etablierten Kufensportarten (Bob, Rodeln und Skeleton) kann es zu Verletzungen kommen. Egal ob Bobfahrer oder Skater – niemand stürzt sich wie ein Kamikaze unvorbereitet und aus einer Laune heraus in die Bobbahn. Die schwerste Verletzung innerhalb der sieben Jahre, die wir zu verzeichnen hatten, war ein Unterkieferbruch, der aber zu Lasten einer gebrochenen Hinterachse eines Longboards ging.
Da du sicherlich keinen Eiskanal vor der Haustür hast, darf man natürlich fragen, wie du dich überhaupt auf dieses Event vorbereitest?
Wichtig ist, das Körpergefühl für die Sportgeräte nicht zu verlieren, um diese im Grenzbereich bewegen zu können und Dresden hat auch die eine oder andere steilere Straße. Alles weitere lässt sich mit laufen, Sprungkraft- und Imitationsübungen ausgleichen, auch mir bleibt bei viel Talent das Üben nicht vergönnt, zusätzlich halte ich mich mit Calisthenics fit.
Welche weiteren Veranstaltungen bzw. Wettkämpfe stehen 2015 auf deiner Agenda?
In erster Linie meine Masterarbeit, dann den zweiten Stopp vom Beton on Fire in Sigulda (Lettland), davor wird es noch für nächstes Jahr eine Testfahrt in der Bobbahn in Sotchi (Russland) geben und zum Saisonabschluss mein zehnten Berlin Marathon auf Inlineskates.
Um die Vielseitigkeit deiner Person zu untermauern, sollten wir unseren Lesern nicht verschweigen, dass du 2011 den kältesten Halbmarathon der Welt in Sibirien gelaufen bist. Erzähl uns doch mal, was du dort erlebt hast.
Im Herbst 2010 fragte mich ein guter Freund, ob ich nicht mit Lust hätte, mal einen Halbmarathon zu laufen. Ich sagte spontan zu. Erst im späteren Verlauf stellte sich heraus, dass dieser in Omsk stattfindet und ich sagte lachend, dass es doch da sicher kalt wäre. So ergab sich mit zwei Freunden bei -31,5 Grad und in 1:34:35 h mein Halbmarathondebüt. Dies war ein besonderes Erlebnis und ich habe viele interessante Erfahrungen mit nach Hause genommen – von gastfreundschaftlichen Menschen bis hin zu einer Reise in der Transsibirischen Eisenbahn durch die verschneite Tundra Sibiriens.
Du studierst Industriedesign und schreibst gerade Deine Masterarbeit. Wirst du danach ergonomische Designermöbel gestalten oder vielleicht sogar einen schicken Sportwagen mit PULSTREIBER-Logo?
Meine Freundin hat schon Bedarf für einen Kleiderschrank angemeldet und in meiner Masterarbeit behandele ich die Konstruktion eines Fünf-Meter-Motorsportbootes mit modularer Innenraumgestaltung, welches ich mit meinem Kooperationspartner für Blechbearbeitung umsetzen und vertreiben möchte, über eine pulstreibende Variante mit über 100ps und Logo lässt sich sicher verhandeln. Ob es dann allerdings ein Job in einer Werft oder einem Designbüro für Sportartikel wird, entscheidet sich in den nächsten Monaten und da bin ich auch offen was die Richtung angeht. Ich werde auf jeden Fall dem Sport treu bleiben und immer versuchen andere zum und für den Sport zu motivieren und zu unterstützen.
Fotos: Privat, Juliane Meyer
25. Juni 2015