Interview: Conny Prasser
Conny Prasser ist ein perfektes Beispiel dafür, was Wille und Begeisterung entfachen können. Vom Zuschauen inspiriert, versuchte sie sich als Spätstarterin im Triathlon und entdeckte dabei ihre Leidenschaft fürs Schwimmen. In weniger als zehn Jahren schaffte sie es, zur deutschen Spitze der Ultraschwimmer aufzusteigen und legte dabei Distanzen zurück, die so mancher nicht einmal zu Fuß bewältigt. Auf der Suche nach einer weiteren Herausforderung begann die Moritzburgerin 2015 mit dem Eisschwimmen und stellte in ihrer Altersklasse sogar den Weltrekord auf. Im Interview erzählt sie uns mehr über ihren Sport, die Vereinbarkeit von Job und Training und wie man sich auch als Laie an das Schwimmen in eisigen Temperaturen herantasten kann.
Was kann man unter dem Begriff „Ultraschwimmer“ verstehen?
„Ultra“ bedeutet in meinem Fall „besonders lang“ bzw. „besonders kalt“ (oder beides in Kombination). Was für den Läufer eine Distanz von mehr als 42,195 km ist und als Ultramarathon bezeichnet wird, ist für den Schwimmer eine Strecke von mehr als 10 km und wird offiziell als Langstreckenschwimmen bezeichnet. Das Eisschwimmen zählt sicher auch zum Ultra- bzw. Extremschwimmen.
Was ist beim Langstreckenschwimmen die besondere Herausforderung?
Das Schwimmen von Langdistanzen erfordert nicht nur körperliche Fitness, sondern vor allem mentale Stärke. Ab einem gewissen Punkt entscheidet nur noch der Wille. Im Freiwasser, vor allem auf dem offenen Meer, kommen noch die Strömung, der Wind und das Wetter hinzu, sodass mitunter aus einer geplanten Strecke von 40 Kilometern auch mal 50 und mehr werden können. Außerdem ist es beim Freiwasserschwimmen eine große Herausforderung, während des Wettkampfs im Wasser nicht zu stark auszukühlen. Nicht zuletzt können Schiffsverkehr und Meerestiere (z.B. Quallen) den Schwimmer behindern oder zum Scheitern zwingen.
Hast du dich schon immer für Extreme begeistert?
Eigentlich überhaupt nicht. Ich bin über den Triathlon, wozu ich mich als Zuschauer beim Moritzburger Triathlon „anstecken“ lassen habe, zum Langstreckenschwimmen gekommen.
Viele Triathlon-Späteinsteiger haben mit dem Schwimmen Probleme. Wie konntest du mit 33 Jahren in diesem Bereich aufholen?
Da ich zu Beginn meiner Laufbahn nicht kraulen konnte, habe ich mir dies erstmal selbst beigebracht und darüber hinaus Schwimmcamps und Seminare besucht. Schwimmen war jedoch von Beginn an meine Lieblingsdisziplin. Laufen fiel mir dagegen schon immer recht schwer. Nachdem ich meinen zweiten Langdistanz-Triathlon 2015 ins Ziel gebracht habe, konzentrierte ich mich auf das, was mir am meisten Spaß macht – das Schwimmen.
Gibt es beim Langstreckenschwimmen offizielle Wettkämpfe?
Offizielle Wettkämpfe gibt es durchaus zahlreiche. Mein längster Wettkampf war das Zürichsee-Schwimmen über 26,4 km. Solche extrem langen Strecken werden jedoch für Wettkämpfe nur selten angeboten, Schwimmen bis 15 km gibt es dagegen recht häufig. Daneben werden bestimmte Querungen von Veranstaltern angeboten, die man als Einzelkämpfer buchen kann (z.B. Bodensee-, Fehmarnbelt- oder Ärmelkanalquerung).
Was waren die längsten Distanzen, die du jemals geschwommen bist?
Mein längstes erfolgreich beendetes Langstreckenschwimmen war das Zürichsee-Schwimmen mit 26,4 km. Den Bodensee habe ich im Juni 2017 in der Breite doppelt gequert, was 22 km ausmachten. Im August 2017 hatte ich dann versucht, den Fehmarnbelt doppelt zu queren, was ca. 50 km gewesen wären. Leider musste ich nach 28 km aus gesundheitlichen Gründen abbrechen. Im Becken nehme ich darüber hinaus auch an 24h- oder 48h-Schwimmen teil, wobei meine persönliche Bestleistung binnen 24 Stunden bei 45 km und binnen 48h bei 61 km liegt.
Wo kommt die Motivation für diese sicherlich eintönige Quälerei her?
Eigentlich ist es gar nicht eintönig. Im Freiwasserwettkampf und im Becken hat man ja die Konkurrenz ständig vor Augen, mit der man sich misst. Da zählt der Wettkampfgedanke, so dass man so schnell wie möglich bzw. so lange wie möglich schwimmen will. Wenn ich allein an Querungen teilnehme, dann habe ich das Begleitboot mit Crew neben mir, die mich aller 30 Minuten verpflegt und auch sonst motiviert. Darüber hinaus konzentriere ich mich auf meine Technik. Allzu sehr sollte man seine Gedanken nicht abgleiten lassen, das verlangsamt das Schwimmen. Außerdem gibt’s auch beim Schwimmen viel zu sehen, was Abwechslung bringt (andere Schiffe, Wassertiere und natürlich auch das vorbeiziehende Ufer). Langeweile kommt da eigentlich nie auf.
Wie kommst du beim Schwimmen auf die nötige Zufuhr an Flüssigkeit und Kalorien?
Bei Freiwasserwettkämpfen gibt es entweder aller 3-5 km Verpflegungsstationen oder man wird vom Begleitboot aus versorgt. Bei Binnengewässern mit guter Wasserqualität kann man auch gern mal ein paar Schlucke aus dem See nehmen. Da braucht man nur paar Gels im Schwimmanzug mit sich zu führen, die man dann zu gegebener Zeit verspeist. Ansonsten ernähre ich mich ausschließlich flüssig mit Kohlenhydratgetränken, die mir vom Boot aus in einer Flasche zugeworfen werden.
Der Trainingsaufwand für die großen Distanzen muss sicherlich enorm sein, oder?
Das stimmt. Für meinen Fehrmarnbeltversuch habe ich pro Woche bis zu 60 km trainiert, wobei ich die meisten Kilometer ab Frühjahr im See geschwommen bin. Da die Ostsee nur 17 Grad warm war, musste ich mich darauf vorbereiten und möglichst viel im kalten Wasser trainieren. Dazu kommt mehrmaliges Techniktraining pro Woche im Pool sowie Athletiktraining an Land. Die langen Trainingseinheiten (bis zu 8 Stunden) muss ich natürlich aufs Wochenende legen oder dafür Urlaub nehmen. Anders wäre das mit einem 40-Stunden-Job nicht zu vereinbaren.
Wie finanzierst du größere Projekte?
Die Schwimmen, die man allein bestreitet (Fehmarnbelt, Bodensee) kosten jeweils mehrere tausend Euro, da vor allem das Begleitboot inklusive Crew sehr teuer ist. Sponsoren, die mich finanziell dabei unterstützen, habe ich bislang noch nicht. Sehr dankbar bin ich jedoch über materielle Unterstützung durch HEAD Swimming, die mich mit Bekleidung und Ausrüstung rund ums Schwimmen ausstatten. In Sachen Sporternährung setze ich auf Herbalife24, wobei mich der VitalTreff-Fitclub-Hoyerswerda dankenswerterweise unterstützt.
Seit 2015 bist du auch als Eisschwimmerin unterwegs. Kannst du uns etwas darüber erzählen?
Eisschwimmen bedeutet wettkampfmäßiges (schnelles) Schwimmen in kaltem Wasser, das max. 5 Grad warm sein darf. Neoprensachen sind dabei verboten. Geschwommen wird lediglich in Schwimmanzug, -kappe und -brille. Ich bin durch ein Video im Internet über die “1. Ice Swimming German Open“ aufs Eisschwimmen aufmerksam geworden und wollte dies unbedingt auch mal probieren. Ab Herbst 2015 habe ich dann für die nächsten German Open trainiert.
Ist das noch gesund?
Für Menschen, die ein gesundes Herz und keinen Bluthochdruck haben, ist es grundsätzlich nicht ungesund. Natürlich sollte man zunächst mit wenigen Minuten beginnen, am besten schon im Herbst, wenn die Seen langsam kälter werden. Bis fünf Minuten ist das alles kein Problem, das schafft jeder, auch wenn zu Beginn eventuell die Luft wegbleibt. Dann sollte man sich auf die Atmung konzentrieren und ruhig weiter atmen. Natürlich fühlt sich die Haut an, als ob sie mit tausend Nadelstichen traktiert wird. Das ist normal und tritt auch nach jahrelangem Training auf. Nach paar Minuten schmerzen die Hände und Füße extrem, aber auch dies ist aushaltbar. Im Laufe des Schwimmens ziehen sich dann zudem die Muskeln zusammen, so dass das Schwimmen immer schwerer fällt und man immer langsamer wird. Spätestens wenn Schwindel, Orientierungs- oder Konzentrationsprobleme dazu kommen, sollte man schnellstmöglich das Wasser verlassen.
Im Wettkampf wird man insoweit von außen durch Observer und Rettungstaucher überwacht, die die Schwimmer im schlimmsten Fall aus dem Wasser holen. Aus diesem Grund sollte man auch niemals allein ins kalte Wasser gehen, zumindest sollte man sich immer von jemandem an Land beaufsichtigen lassen. Das ist die oberste Eisschwimm-Regel. Außerdem sollte man immer eine Schwimmboje dabei haben für den Fall, dass man Krämpfe bekommt und sich daran festhalten kann. Völlig normal ist auch, dass man nach dem Schwimmen oft bis zu 30 Minuten lang wie Espenlaub zittert. Das mag für Neulinge das erste Mal sehr beängstigend wirken, aber dadurch erzeugt der Körper Wärme.
Was kommt beim Eisschwimmen mehr zum Tragen – eine gute Schwimmtechnik oder die Gewöhnung an eisige Temperaturen?
Für Wettkämpfe ist beides wichtig. Jemand, der gut mit der Kälte klarkommt, aber nicht wirklich schnell schwimmen kann, wird einen Wettkampf nicht gewinnen können. Andersrum werden es gute, aber überwiegend Warmwasserschwimmer nicht ewig im kalten Wasser aushalten. Sie sind für Sprintstrecken bis 100m prädestiniert, das schafft jeder gute Schwimmer. Wer einfach nur Spaß am Eisschwimmen haben will, muss nicht unbedingt eine gute Technik haben .
Wie kann man sich hier das Training vorstellen?
Ich trainiere drei- bis viermal wöchentlich Technik und Schnelligkeit im warmen Wasser. Zwei- bis dreimal pro Woche versuche ich in den See zu gehen. Je nach Wassertemperatur schwimme ich dort jedoch nur 10 bis 15 Minuten. Das ist dann genauso anstrengend wie zwei Stunden Training im warmen Pool.
Hast du dabei auch regelmäßig Trainingspartner?
Zum Glück habe ich zwei ständige Trainingspartner (Kathrin Döring und René Berge), mit denen ich wöchentlich im See trainiere. Seit letzter Saison konnte ich weitere Neulinge zum regelmäßigen Training animieren. Und auch weitere Interessierte kommen hin und wieder mit. Wer es einmal probiert hat, will es immer wieder machen! Ich würde mich riesig freuen, wenn unsere Eisschwimmgemeinde noch weiter wachsen würde. Wer es mal testen will, kann mich gern darauf ansprechen.
Für welche kommende Herausforderung können wir dir die Daumen drücken?
Anfang Januar finden die „4. Ice Swimming German Open“ in Veitsbronn bei Nürnberg statt, wo ich über Strecken von 50 m bis 1.000 m an den Start gehe. Darüber hinaus werde ich noch ein/zwei weitere Eisschwimmwettkämpfe bestreiten. Im Sommer bin ich dann wieder auf der Langstrecke im Freiwasser unterwegs. Langfristige Ziele gibt es natürlich auch. Die doppelte Fehmarnbeltquerung werde ich noch einmal versuchen, den Bodensee möchte ich der Länge nach durchschwimmen und vieles andere mehr.
Kurzprofil Conny Prasser
Geboren: 7. Dezember 1975
Sportart: Ultraschwimmen, Eisschwimmen
Trainer: Björn Hauptmann
Beruf: Dipl.-Kauffrau, Dipl.-Rechtspflegerin (FH)
Größte Erfolge (Auszug): Altersklassen-Weltrekord 1.000 m Eisschwimmen (16:56 min), Vize-Weltmeisterin 1.000 m Eisschwimmen, Gewinnerin Ice-Cup, 1. Platz Neuruppiner Langstreckenschwimmen (5 km), 1. Platz Zürichsee-Schwimmen (26 km), 1. Platz Weserschwimmen (40 km), Doppelte Bodenseebreitenquerung (22 km in 7:29 h)
Interview: Stefan Mothes | Fotos: Kerstin Kuntze, Jana Wersch, Privat
24. Januar 2018