Fahrbericht: Porsche 911 GT3 Cup
Mit dem Taxi auf der Rennstrecke!
Bisher konnte ich meine Begeisterung für schnelle Fahrzeuge nur im zivilen Bereich ausleben. Für einen vernunftbegabten Zeitgenossen bedeutet dies natürlich die Akzeptanz der Straßenverkehrsordnung. Auch wenn man es bei Überholvorgängen und auf der Autobahn ein wenig Rauchen lassen kann, ist Fahren im Grenzbereich tabu. Genau dies wollte ich aber testen. Habe ich das Zeug zum Rennfahrer? Wie fährt es sich auf einer echten Rennstrecke mit der passenden Maschine unter dem Hintern? Mit dieser Frage wandte ich mich an Steve Mizera, einen erfahrenen Piloten, der auf dem Motorrad zur Weltspitze gehörte und auch auf vier Rädern Benzin im Blut hat. Mit seiner Firma »Racepool99« bietet er das Mitfahren, aber auch Selbstfahren eines Sportwagens in Rennatmosphäre an. Logisch, dass ich Beides testen musste.
Erstmals auf der Rennstrecke
Das Gefährt, mit dem ich auf dem Lausitzring meine Runden drehen durfte, war ein Porsche 911 GT3 Cup, also die rennsportliche Ausführung des Serien-911ers. Dieser ist im Vergleich zur Straßenversion leistungsstärker, leichter, verfügt über stärkere Bremsen, eine modifiierte Abgasanlage, Überrollbügel, Rennbereifung und ein härteres Fahrwerk. Das Besondere ist der Heckmotor, der ihm in Verbindung mit dem Heckantrieb ordentlich Schub aus den Kurven heraus gibt. Wie bei Rennwagen üblich, ist die Fahrgastzelle nicht unbedingt komfortabel. So muss ich mich ganz schön verbiegen, um überhaupt die Fahrerposition einzunehmen. Mit dem Helm stoße ich an der Decke an, aber ansonsten sitze ich recht bequem. Bei einem Unfall möchte ich jedoch nicht aus dem Cockpit klettern müssen. Porsche- üblich sitzt der Zündschlüssel in diesem Fahrzeug links – eine Renaissance an das 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Der kleine Boxermotor macht ordentlich Lärm, bereits die erste Einstimmung auf das Folgende. Mein Beifahrer gibt grünes Licht und ich lasse die Zuffnhausener Rennmaschine rollen. Die Kupplung ist bissig, aber noch im Rahmen. Die Schaltung ist straff die Lenkung sehr direkt. Also schön brav mit 60 km/h aus der Boxengasse bis zur Einfahrt auf die Rennstrecke. Hier kann ich endlich Feuer geben. Mit der Handschaltung komme ich gut klar, bin allerdings von der Streckenführung etwas überfordert. Zwar zeigen mir orange Pylonen (Hütchen) wo ich hinsteuern soll, um die Ideallinie in den Kurven zu fiden, aber da alles so schnell geht, klappt dies nicht immer perfekt. Zwar gebe ich ordentlich Gas, aber um richtig in den Grenzbereich zu gehen, bin ich doch etwas zu vorsichtig. Normale Fahrzeuge würden bei dieser Kurvengeschwindigkeit längst im Kiesbett liegen, daran muss ich mich erst gewöhnen. Der GT3 klebt mit seinen Semi-Slicks perfekt auf dem Asphalt und ich kann es kaum glauben, warum diese Heckschleuder nicht mal in einer engen Spitzkehre ausbricht.
Nach dem kurvenreichen ersten Abschnitt kommt endlich eine Gerade, bei der ich ordentlich beschleunigen kann. »Gib Gas«, meint der Co-Pilot, der mir auch ansagt, wann ich bremsen soll und mit welchem Gang ich die nächste Kurve nehmen muss. Der letzte Abschnitt der 3,5 km langen Strecke ist in Sicht und ich trete das Gaspedal durch. Hier kommt absolute Rennatmosphäre auf. Die Fahrbahn ist für höhere Kurvengeschwindigkeiten geneigt, links und rechts die Tribünen und vor mir die Zieleinfahrt mit Anzeige der Rundenzeit. Spätestens hier erwacht der Schuhmacher in mir. In den nächsten zwei Runden versuche ich, etwas aggressiver zu fahren, werde aber trotzdem von einem Audi R8 überholt (Unverschämtheit). Dies bringt mich so aus dem Konzept, dass ich in der nächsten Kurve blinke (peinlich). Spätestens hier oute ich mich als absoluter Amateur. Trotzdem genieße ich jeden Meter, jedes Bremsen, jedes Beschleunigen und jedes Dezibel, welches der Sechszylinder heraus röhrt. Wie im Rennsport üblich, wird mir sogar die karierte Flagge gezeigt, was mich noch einmal mehr für eine perfekte Runde motiviert. Als ich wieder in die Boxengasse einfuhr, war mir zwar klar, dass ich kein richtiger Rennfahrer bin, aber ganz so schlecht hatte ich es auch nicht gemacht. Fünf Minuten später kam der Reality-Check.
Mit dem Profi unterwegs
Nach einer kurzen Pause durfte ich Beifahrer spielen. Als Fahrer wurde ich noch normal angegurtet, also Co-Pilot allerdings mit Hosenträgergurten fast zur Bewegungslosigkeit festgezurrt. Dies hatte auch seinen Grund, denn ohne Lenkrad habe ich nichts zum Festhalten und auch das zu erwartende Tempo sollte um Einiges höher sein. Neben mir also Steve Mizera im roten Rennoverall und guter Laune. Ich ebenfalls erwartungsfroh und in bester Stimmung. Auf der Rennstrecke wurde mir aber doch ganz anders. Unfassbar, wie ein Prof die Kurven ausnutzt und mit welchen Geschwindigkeiten er Selbige nimmt. Mein Magen drehte sich im Kreis und in Sekunden stand mir der Schweiß im Gesicht. Er jetzt merke ich, warum das Rennsport heißt. Auf der Geraden haben wir schon zu Beginn eine höhere Geschwindigkeit, aber im Gegensatz zu mir, bremst mein Fahrer nur sehr leicht und radiert mit den Reifen über die rot-weiß gestreiften Randsteine, um die Ideallinie auch wirklich bis ins letzte ausreizen. Auf der langen Zielgeraden, auf der wir wahrscheinlich so an die 250 Sachen drauf haben, überlege ich fiberhaft, wie viele Runden eigentlich angesagt waren.
Noch drei weitere Runden und ich sterbe. Mein Kopf schwirrt, ich umklammere mit feuchten Händen meine Kamera und danke dem lieben Gott, dass die zweite Runde auch die letzte Runde ist. Steve nimmt etwas Tempo raus und ich kann ein klein wenig durchatmen. Mann oh Mann, was hier für Kräfte wirken, kann man sich gar nicht vorstellen. Zurück im Fahrerlager krabble ich mir zittrigen Beinen aus dem Renntaxi und schnaufe tief durch. Was für ein Ritt. Wer denkt, Motorsport sei nur »ein bisschen schnelleres Autofahren«, wird bei so einer Tour garantiert seine Meinung ändern. Auch wenn meine Schilderung etwas leidend klingt, so hat die ganze Sache doch einen Heidenspaß gemacht. Sowohl als Fahrer als auch Beifahrer. Wo hat man auch sonst die Gelegenheit, in authentischer Form in eine Sportart einzusteigen, die man sonst nur aus dem Fernsehen kennt?
Anmerkung, Technische Daten
Steve Mizera´s Firma »Racepool99« bietet auf verschiedenen Rennstrecken regelmäßig professionell geführte Selbst- und Mitfahrten an. Zur Auswahl stehen Rennmaschinen der Superlative: Audi R8 V10 Cup, BMW M3, BMW Z4 M, Corvette Z06 C7 R, Ferrari F360, Ferrari F458, Lamborghini Gallardo, Lamborghini Huracán, McLaren 650S, Porsche 911 GT3 Cup und ein Mercedes AMG GT. Nur zum Mitfahren gibt es im Motorradbereich eine BMW S1000 RR Superbike. Die Preise variieren je nach Modell und Rundenanzahl und beginnen ab 139 Euro (2 Runden Mitfahrt Motorrad) bzw. (3 Runden Mitfahrt BMW Z4 M). Termine und Fahrzeugmodellübersicht sind online detailliert beschrieben.
Motor: Sechszylinder-Boxermotor
Leistung: 430 PS
Hubraum: 3.600 ccm
Maximales Drehmoment: 405 Nm
Beschleunigung: 0 auf 100 km/h in 4,2 Sekunden
Höchstgeschwindigkeit: 310 km/h
Antrieb: Heckantrieb
Leergewicht: 1.300 kg
06. Juli 2023