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Interview: Extremtaucher Sven Penszuk

Sven Penszuk

Sven Penszuk ist Extremsportler. Der Weltmeister im Freitauchen erzählt uns im PULSTREIBER-Interview wie er zum Apnoetauchen kam, in welcher Tiefe eine Ohnmacht droht und warum ihm auch die Aufgaben als Coach ganz besonders viel Freude machen.

Wie beschreibst Du selber Deinen Sport?

Freitauchen ist wahrscheinlich eine der spektakulärsten Extremsportarten. Wenn Menschen in große unglaubliche Tiefen von bis zu über 200 Meter vordringen und länger als elf Minuten mit einem einzigen Atemzug unter Wasser bleiben, spricht man vom Freitauchen oder auch Apnoetauchen. Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen sich für das Freitauchen begeistern. Einige tauchen, um die Faszination der Unterwasserwelt ohne technische Hilfsmittel zu erleben, einfach nur zum Vergnügen, andere tauchen, um sich mit anderen Sportlern zu messen und Rekorde aufzustellen und eigene Grenzen neu zu definieren.

Woher kommt Apnoe-Tauchen?

APNOE stammt aus dem Griechischen und bedeutet im übertragenen Sinne „ohne Atem“ oder „atemlos“, und dient heute als gängige Bezeichnung für das Tauchen mit angehaltenem Atem. Das Tauchen mit angehaltenem Atem gehört wohl zu den vielfältigsten Wassersportarten. Es kann sowohl als reine Freizeiterholung, als auch als ernsthafte athletische Sportart betrieben werden. Archäologische Funde belegen, dass Menschen bereits ca. 4500 vor Christi mit dem Freitauchen ihren Lebensunterhalt bestritten. Die ersten dafür bekannten Völker waren die Haen - Yo in Korea und Ama-Taucherinnen aus Japan, die beide mit angehaltenem Atem in die Tiefe tauchten, um Muscheln und Schwämme zu sammeln und später zu verkaufen. In der Antike halfen Freitaucher dem griechischen Militär bei einem Angriff auf Syracus (Sizilien) die Unterwasserbarrieren zu durchbrechen, die die griechischen Schiffen beschädigen und so vom Angriff abhalten sollten. Auch die Speerfischer rund ums Mittelmeer bilden den geschichtlichen Hintergrund für die Entwicklung des Apnoesports.

Wie bist Du zum Apnoe-Tauchen gekommen?

Als Kind lernte ich relativ spät schwimmen, da ich es nicht schaffte die Schwimmbewegungen mit meiner Atmung zu koordinieren. Kurz gesagt ich konnte zwar 50 Meter Unterwasser schwimmen, war aber nicht in der Lage diese Strecke an der Wasseroberfläche zurück zulegen. So habe ich meine erste Schwimmstufe Unterwasser absolviert, ich wollte ja nicht der einzige unter meinen Freunden sein, der keine Schwimmstufe hat. Später machte ich meine Gerätetauchausbildung und merkte relativ schnell, dass es mir leichter als anderen fiel, Unterwasser die Luft anzuhalten. Die direkte Faszination zum Freitauchen kam, als ich, wie wahrscheinlich viele Freitaucher, den Film „Im Rausch der Tiefe“ von Louc Beson sah und ich mich dabei an die Zeit im Schwimmbad als Kind erinnerte. Ich wollte genau so etwas „cooles“ machen. 1996 las ich in einer großen deutschen Tauchzeitschrift einen Bericht über das Freitauchen als Wettkampfsport und die Leistungen, die dabei von den Athleten erbracht wurden und dachte mir, das kann ich bestimmt auch oder vielleicht sogar besser. Im selben Jahr qualifizierte ich mich für die deutsche Nationalmannschaft und besuchte die Weltmeisterschaft im Freitauchen in Nizza.

Was waren Deine schönsten Erfolge?

Einer der schönsten Erfolge war sicherlich der Weltmeistertitel 2004 als Teamchef der deutschen Nationalmannschaft in Vancouver, Kanada. Die Erfolge an die ich mich allerdings am liebsten erinnere sind die, bei denen ich als Coach bzw. Betreuer Teammitglieder zu persönlichen bzw. neuen sportlichen Bestleistungen animieren konnte. Es ist ein tolles Gefühl, wenn jemand vor einem steht und stolz die Tiefenmarke präsentiert und zu einem sagt, „das hätte ich nicht ohne dich geschafft“ oder „die Tiefen habe ich nur wegen dir getaucht“. Eine Tiefenmarke habe ich heute noch und bin sehr stolz darauf, obwohl ich in diesem Fall gar nicht selbst getaucht bin.

Wenn Du das Apnoe-Tauchen nicht ausüben würdest, für welchen Sport hättest Du Dich dann entschieden?

Apnoetauchen ist grundsätzlich nicht nur meine einzige Leidenschaft, es ist sicherlich die Sportart, bei der ich am erfolgreichsten war und die mir am einfachsten fällt. Ich kann nicht sagen wofür ich mich entschieden hätte, sicherlich etwas mit Wasser in welcher Form auch immer, als Schnee oder im flüssigen Zustand. Ich habe sehr viel Freude daran, in den Bergen Freeriden zu gehen, oder irgendwo die Zeit mit Wellenreiten, Wakeboarden oder Kiten zu verbringen.

Wie trainierst Du?

In der letzten Zeit habe ich leider kaum noch die Möglichkeit, regelmäßig zu trainieren auf Grund meines Berufes und des Familienzuwachses. Grundsätzlich ist es so, dass ein ausgewogenes Ausdauer- und Fitnesstraining gepaart mit mentaler Vorbereitung die beste Grundlage für diesen Sport ergibt.

Was muss man für Voraussetzungen fürs Apnoe-Tauchen mitbringen?

Erst einmal keine besonderen, man sollte schwimmen können. Aber wenn man diesen Sport leistungsorientiert betreiben möchte, sollte man schon ein paar Voraussetzungen mitbringen, wie mentale Stärke. 80 bis 90 Prozent der Leistungsfähigkeit spielt sich im Kopf ab und eine körperliche Fitness ist natürlich auch Voraussetzung. Es ist auch von Vorteil, wenn man ein paar gute physiologische Voraussetzungen, wie ein großes Lungenvolumen mitbringt. Man sollte auf jeden Fall viel Freude am Sport haben, wie es bei allen anderen Sportarten auch ist.

Wo kann man Apnoe-Tauchen erlernen?

Grundsätzlich gibt es aber in Deutschland viele Möglichkeiten diesen Sport auszuüben bzw. zu erlernen. Interessierte können sich bei AIDA Deutschland, dem Fachverband für Apnoesport in Deutschland, bzw. über den VDST, Verband Deutscher Sporttaucher, informieren, wo eine Trainingsgruppe bzw. Tauchschule in der Nähe ist, die sich mit Apnoetauchen beschäftigt.

Wenn ein Läufer nicht mehr kann, dann bleibt er einfach stehen, wenn Dir aber in 40 Meter Tiefe die Luft ausgeht, was tust Du dann?

Beim Freitauchen wird man auf Grund spezieller physikalischer Gegebenheiten nicht in die Verlegenheit kommen, dass dies passiert. Beim Freitauchen liegt die Hauptgefahr darin, dass auf dem Rückweg in Tiefen zwischen 20 bis 10 Meter eine Ohnmacht auftreten kann, dabei ist es wichtig, immer einen erfahrenen Tauchpartner an seiner Seite zu haben, der einem auf dem Rückweg in dieser Tiefe abholt, an die Oberfläche begleitet und im Notfall Hilfestellung gibt.

Sind Dir schwere Unfälle beim Apnoe-Tauchen bekannt?

Ja leider! Es ist bei diesem Extremsport leider so, dass die Gefahr eines Unfalls sehr hoch ist, sobald man an seine körperlichen Grenzen geht. Wir bewegen uns in einem Element und Tauchtiefen für das der menschliche Körper grundsätzlich nicht geschaffen ist. Man kann es vielleicht am besten vergleichen mit der Besteigung eines Achttausenders ohne Sauerstoff. Man bewegt sich immer im Grenzbereich und kann das Risiko nur mit Erfahrung und Besonnenheit minimieren.

Ist Dir persönlich schon einmal etwas passiert?

Nein, zum Glück ist mir noch nie etwas beim Freitauchen passiert. Ich habe auch immer versucht ohne Leistungsdruck zu tauchen und meine körperlichen Fähigkeiten richtig einzuschätzen. Ich bin mir jedoch immer der Gefahr bewusst, welche diese Extremsportart mit sich bringt und versuche natürlich diese nie zu unterschätzen.

Als Apnoe-Taucher zählst Du bereits zur Weltelite. Welche Herausforderungen motivieren Dich noch?

Jeder Tauchgang ist eine Herausforderung, jeder Tauchplatz ist etwas Neues, ich muss mich auf jeden Tauchgang gleich konzentriert vorbereiten egal, ob die Tiefe 30 Meter oder 80 Meter beträgt. Die Herausforderung besteht vielleicht darin, die Freude daran nicht zu verlieren, auch wenn man vielleicht das sehr hohe Leistungsniveau nicht mehr erreichen kann.

Wie zeitintensiv ist Apnoe-Tauchen? Bleibt Dir genug Zeit für die Familie?

Apnoetauchen ist nicht zeitintensiver als andere Sportarten, die man sonst so betreiben kann. Man hat Trainingszeiten und Termine, die man abstimmen muss und es ist im Leistungssportbereich immer eine Gradwanderung zwischen Familie, Arbeit und Sport. Wobei für mich die Familie an erster Stelle steht und ich hätte dies alles auch nicht machen können ohne die Unterstützung meiner Familie und Freunde.

Was würdest Du sagen, wenn sich Dein Kind später auch für den Extremsport begeistert?

Sicherlich hätte ich im ersten Moment Angst, dass meinem Kind etwas dabei passieren könnte und würde natürlich alles tun, um es zu beschützen. Ich wäre aber auch stolz darauf, dass meine Tochter oder mein Sohn sich ein Hobby oder eine Sportart gesucht haben, woran sie Spaß und Freude finden. Extremsport hat mein Leben mit geprägt und mir viele wunderschöne Momente geschenkt. Wie könnte ich versuchen, meine Kinder davon fern zu halten. Ich habe aber noch etwas Zeit, mir intensiver darüber Gedanken zu machen. Meine Tochter ist vier Jahre und mein Sohn erst wenige Wochen alt. Ich wünsche mir nur, dass sie Spaß und Freude daran haben, was sie tun.

Fotos: Archiv Sven Penszuk

21. Oktober 2020

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