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Interview: Daniel Gärtner

Daniel Gärtner

Kampfkunst kann man ausüben, man kann von ihr schwärmen, aber man kann sie auch leben. Genau dies ist die Lebensmaxime von Daniel Gärtner. Seit Kindesbeinen an haben ihn asiatische Kampfsportarten in ihren Bann gezogen. Sein Leben ist ein Spiegelbild dieser ungezügelten Begeisterung: Als Kickboxer maß er sich mit der Weltelite, als Stuntman riskierte er Kopf und Kragen, als Kampfsportexperte stand er Pro7 für „Galileo“ beratend zur Seite, als Coach betreute er die deutsche Snowboardund Skisprungnationalmannschaft.

Seine Erfahrung und sein Wissen teilt er nicht nur in gern besuchten Kampfsport- und Stretching- Seminaren, sondern auch als Dozent und All in One: Kickbox-Weltmeister, Stuntman, Kampfsportexperte, Schauspieler, Personal Trainer, Fitnesscoach, Dozent und Sportwissenschaftler Sportwissenschaftler an der TU München mit. Aktuell arbeitet er zusätzlich an einer Doktorarbeit. Wir wollten mehr über diesen außergewöhnlichen Menschen erfahren und haben ihn zum Interview gebeten.

Die meisten Kampfsportler haben erst über Umwege zu der einen Kampfkunst gefunden, die sie am Ende weiterverfolgt haben. Wie war das bei dir?

Das war bei mir auch so. Ich habe als kleiner Junge geturnt, war im Skiverein und habe Fußball gespielt. Da ich Ritter und Römer toll fand, haben mich meine Eltern mit neun Jahren zum Fechten geschickt. Erst später habe ich von einem Schulfreund erfahren, dass es in einem Nachbardorf einen Karate- und Kickboxverein gibt. Ich bin mit zwölf Jahren dort hin gegangen und wusste: Jetzt bin ich daheim.

Was ist deine Definition von Kampfkunst?

Es gibt ja verschiedenste Definitionen von „Kampfkunst“. Kürzlich habe ich in einem wissenschaftlichen Text die Abgrenzung von Kampfkunst als reale Selbstverteidigung und Kampfsport als sportlicher Kampf gelesen. Für mich ist Kampfkunst jedoch nicht nur die Reduzierung des Kämpfens zum Zwecke der Selbstverteidigung. Vielmehr vereint der Begriff „Kampfkunst“ Traditionen und Werte, die die Charakteristik eines Stils widerspiegeln und deren primäres Ziel nicht nur die Selbstverteidigung darstellt. Genau wie in der Kunst, stellt für mich der Begriff Kampf- KUNST das Verzieren, Ausschmücken und Erhalten körperlicher Bewegung mit oder ohne Partner unter Berücksichtigung der traditioneller Techniken, die in der realen Selbstverteidigung heutzutage vielleicht gar keinen Nutzen mehr haben, dar. Daneben dient die Kampfkunst auch der Vermittlung von Werten und sollte meiner Meinung nach zur Charakterschulung beitragen.

Fühlst du dich überhaupt einem speziellen Stil zugehörig?

Das ist eine schwierige Frage, denn im Laufe meiner Karriere habe ich viele Stile und Kampfsportarten kennen gelernt und selbst praktiziert. Aber erst im letzten Jahr habe ich meine Wurzeln wieder gefunden und kann deshalb sagen, dass ich dem Kun-Tai-Ko Karate zugehörig bin. Nicht deshalb, weil ich von den Techniken und Inhalten des Stils überzeugt bin. Nein, eher aus dem Grund, weil dieser Stil meine Heimat und meinen Ursprung darstellt und ich viele Freunde darunter zählen kann, die ich sehr schätze. Aus sportlicher Sicht bin ich jedoch voll und ganz Kickboxer.

Wer sind deine Vorbilder, wer oder was hat dich am meisten beeinflusst?

Hätte es Jean Claude van Damme nicht gegeben, hätte ich mit zwölf Jahren wahrscheinlich keine Affinität zum Kampfsport entwickelt. Van Damme hat mich damals schon sehr beeindruckt. Denn seine Ästhetik und Geschmeidigkeit waren in den 90er Jahren für mich wirklich einzigartig. Jedoch begann mein sportlicher Ehrgeiz eigentlich mit Silvester Stallone. Der Charakter „Rocky“ hat mich von Anfang an geprägt und hat mir gezeigt, dass Erfolg nur mit harter Arbeit möglich ist. Später war es Jackie Chan, der mir eine neue Seite des Martial Arts offenbart hat. Aber natürlich auch unter den eigenen Kampfsportreihen gab es immer wieder Trainer und Meister, die mich sehr beeinflusst haben und denen ich sehr dankbar bin. Jedoch musste ich in den letzten Jahren lernen, dass hinter der Fassade vieler hochrangiger Meister keine wahre Budoeinstellung steckt. Das hat mich oft sehr enttäuscht, worauf ich mich mit den Jahren aus den Dojos entfernt habe und mittlerweile eher auf eigene Faust trainiere.

Wen hättest du gerne einmal persönlich kennengelernt?

• Krafttraining hätte ich sehr gerne einmal mit Arnold Schwarzenegger gemacht.
• Mit Jean Claude van Damme würde ich gerne einmal dehnen.
• Mit Fabian Hambüchen würde ich gerne einmal turnen.
• Sprinttraining mit Husain Bolt wäre toll.
• Crossfit würde ich gerne einmal mit Zuzana machen.
• Mit Jessica Biel würde ich gerne als Personal Trainer arbeiten.
• Mit Jackie Chan würde ich sehr gerne einmal chinesisch essen.

Siehst du dich in dem, was du jetzt machst, eher als Kampfsportler oder Entertainer?

Daniel Gärtner

Ich sehe mich als Vertreter von beidem. Jedoch fühle ich mich an erster Stelle als Lehrer. Das ist das, was ich am meisten mache. Es kommt jedoch immer auf den Blickwinkel an. Für meine Studenten an der Universität bin ich wohl eher Kampfsportler. Bei meinen Vorträgen sehen mich die meisten als Wissenschaftler. Bei Kursen im Fitnesscenter oder Workshops bin ich natürlich auch der Entertainer und Presenter. Auf der Showbühne sehen mich die meisten Zuschauer wahrscheinlich als Kampfsportler und die Kampfsportler unter den Zuschauer wohl eher als Entertainer.

Ist es schon einmal passiert, dass andere Kampfkünstler auf dich herabgesehen haben, da sich der Showaspekt ihrer Meinung nach nicht mit dem Weg der traditionellen Kampfkunst vereinen lässt?

Ja, das ist schön öfter passiert. Aber eher auf der Fitnessbühne und weniger bei Shows mit meinem Team. Teilweise gibt es im Vorfeld eines Showauftritts auch solche Stimmen. Nachher sagten die meisten aber nichts mehr oder traten mir sogar mit einem Lob entgegen. Was mir auch hin und wieder passiert, ist die Verblüffung von vielen Kampfsportlern, die irgendwann merken, dass das was ich mit meinem Showteam auf der Bühne mache, sie selbst aus den verschiedensten Gründen nie können werden. Aber das sehe ich dann eher als Motivation und freue mich.

Als Wettkämpfer warst du sehr erfolgreich, bist aber nicht mehr aktiv. Vermisst du diese Zeit?

Auf der einen Seite JA und auf der anderen Seite NEIN. Ich war sehr lange als Leistungs- Kampfsportler aktiv. Vom 13. bis zum 28. Lebensjahr habe ich an zahlreichen Wettkämpfen teilgenommen und bin sehr viel gereist. Ein freies Wochenende gab’s fast nie. Höhepunkte waren Kickboxkämpfe ich Amerika und Kanada, sowie dreimal der Weltmeister- Titel. Das war eine sehr schöne Zeit, die ich niemals missen möchte. Zwischenzeitlich hat mir eine Wettkampfpause dann andere Facetten und Möglichkeiten des Sports aufgezeigt, die sehr zu meiner Entwicklung als Sportlehrer und Sportwissenschaftler beigetragen haben. Jedoch spüre ich seit über einem Jahr ein heißes Gefühl in mir, das mich wieder auf die Kampffläche lockt.

Wie hat sich dein Training über die Jahre entwickelt und wie ist dein jetziges Training aufgeteilt?

Ich hatte als Kind ein bisschen Talent, jedoch würde ich als Grundlage meines Erfolgs meinen Trainingsehrgeiz nennen. In den ersten Jahren meiner Kampfsport-Karriere, ich war damals 13, trainierte ich bereits fünf- bis siebenmal in der Woche. Montag Kickboxtraining, Dienstag Laufen, Mittwoch Dehnen und Technik, Donnerstag Karate, Freitag Krafttraining und danach Karate, Samstag Kickboxtraining, Sonntag Dehnen und Laufen. Vor jedem Vereinstraining habe ich zu Hause in meinem Keller zusätzlich noch trainiert und gedehnt. Im Alter von 16 Jahren begann ich ernsthaft mit dem Krafttraining. Mit 17 Jahren gab ich meinen ersten Kickbox-Kurs. Daraus wurde im Laufe der Zeit dann Kickbox-Fitness bzw. Kickbox-Aerobic. In dieser Zeit trainierte ich sehr intensiv und war auch im Kickbox-Leistungskader der WAKO.

Der Umfang meines Trainings war dann während meines Sportstudiums am höchsten. Hier merkte ich, dass die Fachkompetenz im Verein für ein Weiterkommen im Sport nicht ausreicht. Ich fand in meiner Kampfsportumgebung keinen Betreuer, der mich trainieren konnte. Ab diesem Zeitpunkt gestaltete ich meine Trainingspläne selbst. Mein damaliger Leichtathletikdozent an der Universität und ehemaliger Bundestrainer „Sigi Becker“ unterstützte mich in dieser Zeit und erstellte mit mir Jahresperiodisierungen und versorgte mich mit neuen Trainingsinhalten aus dem Leistungssport. Der Kampfsport hinkte damals dieser Entwicklung noch nach. Dadurch wurde mein Training sehr professionell und viele Übungen konnten spezifischer eingesetzt werden. Das war die Zeit, in der ich zum ersten Mal in meinem Leben auf klar definierte Ziele unter Berücksichtigung des Jahrestrainingsplans hingearbeitet habe. So waren am Anfang der Saison die Trainingsumfänge für Kraft und Ausdauer hoch und die Intensität niedrig. Dies änderte sich dann zum Eintreten in die Hauptphase, in der dann verstärkt Training mit maximalen Gewichten gemacht wurde.

In der Wettkampfphase setzte dann das Schnellkraftund Reaktivkrafttraining ein. Parallel habe ich mir als Student durch Fitnesskurse am Abend mein Studium finanziert. Meist war ich in fünf Studios tätig und fuhr von einem zum nächsten, um meine Teilnehmer zum Schwitzen zu bringen. In den letzten Jahren wurden die Fitnesskurse in den Studios weniger und ich nahm mir wieder mehr Zeit für mein eigenes Training. Was aber bis heute noch Bestand hat, ist die Aufteilung meines Wochentrainingsplanes. Darin sind mindestens zweimal Turnen und Showteam, dreimal Krafttraining, einmal Kickboxen und einbis zweimal Ausdauer enthalten. Außer Sonntag muß jeden Tag etwas gemacht werden. Hinzu kommen noch die Praxiskurse, die ich als Dozent an der Uni und Lehrer an einer Gymnastikschule unterrichte.

Nimmst du selbst noch Unterricht oder bist du dein eigener Trainer?

Daniel Gärtner

Ich habe leider seit über sechs Jahren keinen eigenen Unterricht mehr genommen, sondern immer selbst unterrichtet. Was mein eigenes Training angeht, so bin ich mein eigener Trainer. Jedoch bin ich regelmäßig auf Kongressen und Lehrgängen, auf denen ich mich bei anderen Trainern und Dozenten fortbilden kann.

Neben deinen sportlichen Aktivitäten bist du nicht nur als Dozent an der TU München tätig, sondern auch schon des Öfteren als Berater und Darsteller in den Medien zu sehen. Wie bist du dazu gekommen?

Neben meinem Studium habe ich öfter als Sportmodel oder auch als Stuntman gearbeitet. Dadurch entstanden bereits Kontakte zum Film und TV. Ich nehme an, dass durch meine wissenschaftliche Tätigkeit und Forschung im Kampfsport das Interesse an meiner Person für solche Sendungen wächst.

Fernsehformate wie „Galileo“ glänzen nicht immer durch sauber recherchierte Themen. Inwieweit konntest du bei den Beiträgen auf die Inhalte eingehen?

An dieser Stelle sind sicher die beiden TV-Reportagen von „Welt der Wunder“ gemeint. Leider hatte ich wenig Einfluss auf die Inhalte dieser Sendung, da der Darsteller nicht gleich der wissenschaftliche Experte sein durfte. Für Galileo stand ich für den so genannten „Fake Check“ einige Male vor der Kamera. Die Vorstellungen der Regisseure ist auch hier schon fest verankert, so dass man nur wenig Einfluss auf Inhalte hat. Aber sei es, wie es ist – letztendlich handelt es sich um eine TV-Sendung zur Primetime. Deshalb ist der wissenschaftliche Charakter nicht allzu stark zu bewerten.

Du bist Dozent an der TU München und arbeitest neben all deinen sportlichen Projekten auch noch an deiner Doktorarbeit. Wie sieht dein beruflicher Alltag aus und wie bekommst du dies alles unter einen Hut?

Daniel Gärtner

Im bin mit einer vollen Stelle als Dozent an der Technischen Universität München angestellt und muss für meine Vertragsverlängerung promoviert sein. Das heißt, wenn kein Doktor- Titel in einer gewissen Zeit vorhanden ist, gibt’s auch keinen Job mehr. Ich unterrichte dort 13 Stunden in den Fächern Geräteturnen, Kampfsport, Fitness und Trainingswissenschaft und forsche die restliche Zeit im Labor. Nebenbei unterrichte ich circa acht bis zehn Stunden an einer Berufschule für Gymnastik und Tanz und gebe zweimal in der Woche in einem Fitnessstudio Kurse. Seit drei Jahren bin ich für Bodyboom, eine Homefitnessplattform, tätig und entwerfe Workouts für das Training zu Hause. Dazu kommen mein Showteam, mit dem ich momentan wieder sehr aktiv bin, sowie Seminare und Ausbildungen für Verbände. In der Tat ist es momentan nicht einfach, alles unter einen Hut zu bekommen. Aber ich bin jemand, der sich sehr gut auf mehrere Dinge gleichzeitig konzentrieren kann.

Was erwarten die Teilnehmer von dir und was macht den Reiz dieser Seminare aus?

Das stimmt nur teilweise. Denn Kurse, die ich z.B. für KWON oder Budoland gebe, sind immer auf Wettkampfsportarten bezogen und beleuchten die wissenschaftliche Sicht des Kampfsports. Darüber hinaus sind Fitnessworkshops nicht unbedingt auf eine Sportart gerichtet, sondern sollen vielmehr die Möglichkeit einer allgemeinen Betrachtung bieten. Es hängt natürlich immer von den Inhalten meiner Kurse ab. Derzeit sind Vorträge zum Thema meiner Doktorarbeit „Wirkung verschiedener Dehnmethoden auf ausgewählte Leistungsparameter im Kampfsport“ sehr gefragt. Darüber hinaus auch Ausbildungslehrgänge zum „Basic Instructor Kickbox-Aerobic“, Functional Fitness, Core Training, Kickbox-Fitness und weitere.

Fotos: Kun-Tai-Ko Martial Arts

20. Mai 2016

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